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André Morsch als Adam und Giulia Montanari als Eva in Haydns „Die Schöpfung“

06.10.2024- Haydn, "Die Schöpfung" in Köln

Stand: 06.10.2024, 09:30 Uhr

Haydns "Schöpfung" ist das Dokument eines optimistischen, aufklärerischen Zeitgeistes, wie ihn Philosophen an der Wende zum 19. Jahrhundert formulierten, von Hume bis Kant und weiter bis Hegel usw. Die Welt, wie sie Gott geschaffen hat, ist gut, heißt es mehr oder weniger schon in der Genesis, und das lässt sich auch beweisen, bzw. in Musik setzen, so die Auffassung der Zeit. Man denke nur an die großartige C-Dur-Emphase "Es werde Licht" oder an den Preischor "Stimmt an die Saiten, ergreift die Leier". Bei der Kölner Opernproduktion des Oratoriums führten Orchester und Chor unter Leitung von Marc Minkowski diese preisende Musik kraftvoll und mit klangbildicher Unverblümtheit so vor, als seien diese Töne gerade erfunden worden – eine Art von historischer Aufführungspraxis.

Nur einmal wurde der Optimismus musikalisch getrübt, nämlich am Ende des 2. Teils nach der Erschaffung der Welt. Da stand der Chor in den von Merle Hensel stilisierten strengen Anzugkostümen und den weißen Heiligenscheinkränzen vor dem Orchester und hämmerte "Vollendet ist" mit donnernder Verve ins Publikum, als müsste jeder Zweifel erstickt werden. Marc Minkowski hat seine Wurzeln in der Alten Musik und bei ihm klang das Gürzenich-Orchester manchmal wie ein veritables Originalklangorchester, z. B. in der Sopran-Arie "Auf starkem Fittiche", wo die verschiedenen Vogelarten musikalisch beschrieben werden und sich eine schöne klangliche Mischung zwischen dem kristallklaren Gesang von Kathrin Zukowski und Orchester, namentlich der Flöte einstellte.

Die englische Regisseurin und Chroregrafin Melly Still, die zum ersten Mal in Deutschland inszenierte, traute der für unsere Zeit vielleicht naiv anmutenden optimistischen Grundhaltung des Werkes nicht vollständig; sie wehrte sich durch Distanz und Komik, ohne ihre Sympathie für das Stück aufzukündigen.

Dabei geriet aber die Personenregie in den Hintergrund, so dass die Gesangssolisten, der Tenor Sebastian Kohlhepp als Uriel (mit guter stimmlicher Präsenz), der Bass Alex Rosen als Raphael (mit Anfangsschwierigkeiten), sowie André Morsch und Giulia Montanari als Adam und Eva (im dritten Teil relativ unauffällig), wenig Raum hatten, sich zu profilieren.

Distanz stellte die Regisseurin her, indem sie die Figur des Satans (Francesca Merolla) und seiner begleitenden Höllengeister als Tänzerinnen und Tänzer einführte. Sie haben zwar nichts zu singen, aber begleiten das Geschehen durch pantomimische Aktionen oder regelrechte Ballettnummern. Das wirkte in den beiden ersten Teilen des Oratoriums, wo die sechs Tage der Erschaffung der Welt geschildert und vom Chor gepriesen wird, rein menschlich gesehen aber wenig passiert, oft etwas bemüht. Nur gelegentlich erzeugte die choreografische Ebene eine theatralische Wirkung, etwa, wenn die Höllengeister direkt angesprochen werden und man schlängelnde tierartige Gestalten sieht oder wenn vom Kreislauf des Lebens die Rede ist und die Gestalten wie Untote wieder auferstehen.

Ganz anders die komische Seite: Der Satan schüttelt sich und windet sich in Verzweiflung, wenn er hört, dass Eva zu Adam singt "Dir gehorchen, bringt mir Freude". Ein Höhepunkt des Abends ist die urkomische Vorstellung der Landtiere: ein Tänzer verliebt sich in seine lange Mähne (des Pferdes), ein Schaf erscheint mit Wollknäuel, die Kuh als Milchmagd, ein Tiger auf einem Hüpfball. Alles nah am Kindertheater, aber mit sympathischem Augenzwinkern in diesem Zusammenhang. Eher komisch auch die Verkleidung von Adam und Eva. Sie wandeln in Umhängen umher, auf denen die nackten, schambedeckten Figuren von Dürers Gemälde zu sehen sind und geben nachdenkliche Sentenzen von sich ("Nun ist die erste Pflicht erfüllt, dem Schöpfer haben wir gedankt").

Es geht in diesem dritten Teil von Haydns Oratorium um die Rolle von Adam und Eva, sprich der Menschen in der Welt. Da lassen die Regisseurin und die Bühnenausstatterin nicht nur Titelprojektion wichtiger philosophischer Schriften chronologisch Revue passieren, sondern der Chor defiliert in Kostümen der Zeit, und zwar angefangen mit Rokoko-Pomp, dann unmerklich moderner werdend, um schließlich in opulenten Kölner Karnevalskostümen anzukommen. Ein brillanter Bühneneffekt.

Premiere: 05.10.2024, noch bis 20.10.2024

Besetzung:
Gabriel: Kathrin Zukowski
Uriel: Sebastian Kohlhepp
Raphael: Alex Rosen
Satan: Francesca Merolla
Eva: Giulia Montanari
Adam: André Morsch
Tänzer*innen: James Michael Atkins, Urte Daugirdaite, Moe Gotoda, Nikos Konstantakis, Christian Meusel, Sho Nakasatomi, Teresa Zschernig

Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln

Musikalische Leitung: Marc Minkowski
Inszenierung: Melly Still
Ausstattung: Merle Hensel
Co-Kostümbild: Judith Peter
Choreografie: Melly Still, Tänzer*innen
Video: Pixellux Ltd. (Nina Dunn)
Licht: Malcolm Rippeth
Chorleitung: Rustam Samedov
Dramaturgie: Svenja Gottsmann