Live hören
Jetzt läuft: Ein Sommernachtstraum. Ouvertüre, op. 21 und Bühnenmusik, op. 61 von Jennifer Smith; Della Jones; DSO Berlin; Marc Minkowski
00.03 - 06.00 Uhr Das ARD Nachtkonzert
Danielle Rohr in „Into the Fire“ von Jake Heggie am Theater Koblenz

26.03.2025 – Jake Heggie, „Into the Fire” in Koblenz

Stand: 26.03.2025, 09:30 Uhr

Jake Heggie ist ein amerikanischer Erfolgskomponist, der bald 20 Musiktheaterwerke komponiert hat. Das erfolgreichste ist seine Oper „Dead Man Walking“, die auf der ganzen Welt gespielt wird, so auch 2022 in Koblenz. Intendant Markus Dietze wollte Musik von Jake Heggie weiter auf seinem Spielplan haben, aber anstatt eines der anderen abendfüllenden Werke, kam er auf die Idee, drei kurze Stücke in kleinen Besetzungen in der Ausweichspielstätte des Theaterzelts auf der Festung Ehrenbreitstein zu präsentieren.

Der Abend beginnt mit dem 35-Minuten-Stück „Camille Claudel: Into the Fire“. Das ist ein siebenteiliger Zyklus auf Verse von Heggies Stammlibrettist Gene Scheer für Mezzosopran und Streichquartett oder (wie in Koblenz) für Orchester. Hier werden bekannte Skulpturen von Camille Claudel in dem für Heggie so typisch prägnanten und assoziationsreichen Stil musikalisiert. In der Nummer „Shakuntala“ etwa wird die Wiederbegegnung eines getrennten Paars in einem indischen Drama des 4./5. Jahrhunderts thematisiert. Heggies Musik ist tänzerisch pulsierend, und die phänomenale Sängerin Danielle Rohr legt die Worte mal in ausdrucksvolle Glissandi, mal in ein insistierendes Parlando oder in regelrecht herausgeschleuderte Koloraturen. Auf der Bühne hat Markus Dietze, der auch Regie führt, hinten eine bildende Künstlerin platziert, die eine Büste modelliert. Dazu kommt der Tänzer Andreas Heise, in dem man Auguste Rodin annehmen darf, Claudels langjähriger Geliebter. Diese drei Ebenen werden in einer Film-noir-Ästhetik auf einer großen Videoleinwand miteinander verwoben. Man soll sich hier vorstellen, dass Camille Claudel vor ihrer Einlieferung in eine psychiatrische Anstalt, ihr bisheriges Leben Revue passieren lässt.

Das längste Stück des Abends ist mit 40 Minuten Heggies Choroper „The Radio Hour“. Text ebenfalls von Gene Scheer. Hier geht es um Nora, eine stumme Rolle gespielt von Jana Gwosdek, die frustriert von der Arbeit heimkehrt, das Radio anschaltet, mehr und mehr träumend in eine andere Welt gleitet und am anderen Morgen optimistisch aufwacht. Der Koblenzer Opernchor hat hier nicht nur die Rolle einer kommentierenden Instanz, sondern singt Szenenbeschreibungen, verkörpert Requisiten wie Uhr, Lampe oder Spiegel, schlüpft in die Rolle von Nora selbst und gruppiert sich zu einer Reihe von Zwölfen, jeder einen Ton singend und 12 Rosen überreichend, wobei man unwillkürlich an 12-Ton-Musik denken muss. Davon ist Heggie aber weit entfernt. Stattdessen wird in geradezu hymnischer Weise am nächsten Tag beschworen: „12 Noten, verzauberte Tasten, kombiniert, sortiert, gemischt, neu angeordnet, ein Strauß von Möglichkeiten.“ Das Ensemble macht das spielerisch und sängerisch brillant, agiert wie ein in komplizierter Polyphonie versiertes Vokalensemble und verkörpert gleichzeitig ein sich ständig umformendes lebendiges Bühnenbild.

Zum Schluss gibt es noch den 18-Minuten dauernden Liedzyklus „The Deepest Desire“ auf Gedichte von Sister Helen Prejean. Das ist die Hauptfigur in Heggies Oper „Dead Man Walking“, die den Todeskandidaten auf seinem letzten Weg begleitet. Hier tritt die Mezzosopranistin Danielle Rohr zusammen mit dem Koblenzer Ballett auf, das von Andreas Heise zwischen klassischem Ballett und Modern Dance choreographiert wird und für die prägnanten Verse wie „Es ist mehr gefragt, als sich treiben zu lassen“ eine ausdrucksvoll-plastische Umsetzung findet und die Sängerin immer wieder einbezieht.

Auch wenn die drei knappen Stücke eigentlich nichts miteinander zu tun haben, erlebt man den Abend als eine gelungene Erkundungsfahrt nach theatralischen Möglichkeiten. Zugleich lernt man den Komponisten Jake Heggie noch einmal neu kennen, von dem man vielleicht einmal annehmen darf, dass er sich zu einem Leonard Bernstein des 21. Jahrhunderts entwickelt.

Besuchte Vorstellung: 25.03.2025, Premiere: 15:03.2025, noch bis zum 04.05.2025

I. Camille Claudel: Into the Fire
Camile Claudel: Danielle Rohr
The Body: Andreas Heise
Sculpture: Franziska Feser
Live-Kamera: David Finn, Thiemo Hehl
Live-Bildschnitt: Britta Bischof

II. The Radio Hour
Nora: Jana Gwosdek
Chor des Theaters Koblenz

III. The Deepest Desire: Four Meditations on Love“
Danielle Rohr
Ballett des Theaters Koblenz

Staatsorchester Rheinische Philharmonie

Musikalische Leitung: Lorenz Höß, Karsten Huschke (in: The Deepest Desire)
Inszenierung: Markus Dietze
Choreographie (in: The Deepest Desire): Andreas Heise
Bühne und Kostüme: Dorit Lievenbrück
Licht: Susanne Reinhardt
Video (in: The Radio Hour): Georg Lendorff
Dramaturgie: Franziska Hansen