Im Herzen die Beatles - Communicant
Stand: 13.07.2024, 12:07 Uhr
Nachdem sich Dylan Gardner 2019 mit dem Bandprojekt Communicant als Independent-Act neu erfunden hat, legt er nun sein zweites Album „Harbor Song“ vor – und beweist einmal mehr, dass er ein auffallend gutes Songwriting-Händchen hat.
Von Elise Schirrmacher
Seine Stimme mischt er dezent nach hinten oder verfremdet sie sogar, sonst passe sie nicht in das Gesamtbild, erzählt er offenherzig und verweist auf John Lennon. Vielleicht ist es diese Mischung aus Chuzpe und Ehrlichkeit, die diesen 28-Jährigen so charmant macht. „Harbor Song“, der zweite Streich von Communicant nach „Sun Goes Out“ von 2021, kommt verträumter und psychedelischer daher und liefert eine sehnsüchtige Melodie nach der anderen, wobei häufig der Übergang von Strophe zu Chorus wie eine Mempran pulsiert. Das Tempo fast aller zehn Songs (der elfte ist eine Soundcollage) ist zurückgenommen; ein Streich-Quartett, arrangiert von Ted Case, setzt immer wieder ausdrucksstark ein - und überhaupt überrascht „Harbor Song“ mit dem Flair eines Gesamtkunstwerks oder fast schon Konzeptalbums. Die Gesamt-Spannung entlädt sich im vorletzten Titel, der ironischerweise „Controller“ heißt, in einer psychedelisch rockigen Jamsession, um dann im letzten Song „Move Close“ wieder sphärisch auszuklingen. Dass nicht nur die Beatles, die Beach Boys, Elliott Smith oder die 90er-Jahre-Band Spiritualized Pate gestanden haben, sondern auch sämtliche Pink-Floyd-Alben in Communicants Plattenschrank aufgereiht sind, hört man dem Album auf angenehme Weise von Anfang bis Ende an.
Ob Dylan Gardner „Harbor Song“ erschaffen hätte, wenn er in einem weniger Popmusik-affinen Elternhaus groß geworden wäre, darf man bezweifeln. Erzählt er gegenüber dem Musikbonus aus seiner Kindheit, spielen nicht nur sein acht Jahre älterer Bruder Mark – Drummer bei Communicant – und sein Vater (Coverband-Musiker und Instrumentenhändler) eine wichtige Rolle, sondern auch seine Mutter: Die arbeitete in diversen Schallplattenläden von Plainfield, Illinois, und versorgte ihre Söhne mit frühen Siebzigerjahre-Raritäten, in denen ein selbstbewusstes Songwriting im Vordergrund steht. Und nach seiner frühen und kurzen Karriere bei Warner, wo Dylan Gardner unter seinem Geburtsnamen zwei poppige Retro-Alben mit zwei Hits produzierte, verbeugt er sich nun mit Communicants „Harbor Song“ – unabhängig von der Plattenindustrie - vor den alten Zeiten. Zugleich liefert er aber etwas Neues, Eigenes. Ein wirklicher Hinhörer.
Gespielte Titel
Communicant - Drift
Communicant - Falling Into One
Communicant - Dream State
Communicant - Normandy
Dylan Gardner - Let´s Get Started
Dylan Gardner - Sign Language
Communicant - Open Your Window
Communicant - The Day
Communicant - Saint Allison
Communicant - Controller
Communicant - Move Close
Communicant - Annabella
Communicant - Postcard
Communicant - The Wheel