Wie kommen wir dem Geheimnis unserer Gefühle auf die Spur?
Meine Liebe, meine Empörung, mein Glück – Gefühle sind in unserer Kultur scheinbar etwas zutiefst Privates und Persönliches. Innere Welten, die für andere grundsätzlich unzugänglich sind. Aber ist das wirklich so? Denn Gefühle stehen ja durchaus in Bezug zu Anderen und zu einem Außen.
Gefühle sind ja sowieso immer da, ein unabdingbarer Teil des Lebens. Die Frage ist, wie isoliert und autonom dieser Teil von anderen und der Gesellschaft ist. Viele berufen sich ja zum Beispiel auch auf "gefühlte Wahrheiten", sie schließen also den Abgleich verschiedener Perspektiven aus. Da findet eine Verabsolutierung der (eigenen) Gefühle und eine Verinnerlichung statt, die letztlich das Fundament der Gesellschaft untergräbt, sagt der Psychologe und Philosoph Thomas Fuchs.
Viele der gängigen Emotionstheorien in Psychologie und Philosophie gehen allerdings tatsächlich davon aus, dass es so etwas wie eine innere Psyche gibt, die sowohl vom Körper wie auch von der Welt getrennt ist. Eine Verinnerlichung, Privatisierung und Subjektivierung der Gefühle also, die auch mit der neuzeitlichen Entzauberung der Welt durch die Naturwissenschaften zu tun hat – affektive Erfahrungen wurden eben ins Innere und ins Persönliche verlagert.
Der Philosoph Thomas Fuchs
Thomas Fuchs widerspricht dem mit seiner Emotionstheorie der verkörperten Gefühle. Drei Gesichtspunkte sind es für ihn, die den Unterschied ausmachen: Unser "Affektives In-der-Welt-Sein", unser Sein ist immer von Gefühlen getönt, die Welt erhält erst durch Gefühle überhaupt Sinn. Dann die Verkörperung von Gefühlen, es gibt immer auch einen körperlichen Ausdruck emotionaler Zustände. Und schließlich die Interaffektivität, wir sind immer auch emotional-körperlich mit Anderen in Kontakt, zum Beispiel über Blicke und Gesten. Insgesamt gehe es um: Lebensgefühl.
Wie privat und individuell sind Gefühlswelten? Wie wichtig ist der emotionale Kontakt zu anderen? Wie halten Sie es mit den Gefühlen?
Hörer:innen können mitdiskutieren unter 0800 5678 555 oder per Mail unter philo@wdr.de.
Redaktion: Gundi Große
Literaturhinweis: Thomas Fuchs: Verkörperte Gefühle. Zur Phänomenologie von Affektivität und Interaffektivität. Suhrkamp Verlag, 2024.
Unser Podcast-Tipp: Im Philosophie-Podcast „Tee mit Warum“ von NDR Kultur gehen Schauspielerin Denise M‘Baye und Investigativ-Journalist Sebastian Friedrich bei einem Becher Tee gemeinsam mit Philosoph*innen den großen Fragen nach dem „Warum?“ auf die Spur. Alle Folgen von „Tee mit Warum“ finden Sie in der ARD Audiothek unter diesem Link: https://1.ard.de/tee-mit-warum-podcast