In Würde sterben können - Idee und Begriff der Palliativstation an Krankenhäusern kommen aus Kanada und England. In Deutschland ist die Entwicklung verzögert.
Sterbebegleitung wird in den 1970er-Jahren zunächst fälschlicherweise mit Euthanasie in Verbindung gebracht. Die Pionierarbeit leistet damals vor allem Dr. Mildred Scheel, die Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten.
Aus den Abschiedszimmern in den Fokus des ärztlichen Personals
Das Sterben ist seitdem längst aus den abgelegenen Abschiedszimmern in den Fokus des ärztlichen Personals gerückt. Heute ist die Palliativversorgung seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Curriculums im Medizinstudium.
Als medizinische Fachrichtung ist sie jedoch nicht für jeden Mediziner geeignet. Die Würde des Menschen in seinen letzten Tagen und Stunden zu bewahren, erfordert eine ganz besondere Ausbildung und Einfühlungsgabe.
Sterbende Menschen nicht alleine lassen
Prof. Dr. Raymond Voltz
Prof. Dr. Raymond Voltz, Leiter des Zentrums für Palliativmedizin an der Uniklinik Köln, erlebt in seiner Frühzeit als Medizinstudierender und als Arzt, wie sterbende Menschen auf der Station dann in das berühmte Badezimmer(…) zum Sterben verlegt wurden und dort alleingelassen werden.
Deutschland tut sich mit professioneller Sterbebegleitung lange schwer
Palliativmedizin widmet sich der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer unheilbaren Krankheit, deren Leben durch diese Erkrankung verkürzt wird. Es geht vor allem darum, die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern.
Doch gerade Deutschland tut sich anfangs schwer mit einer professionellen Begleitung Sterbebegleitung. Der Klang des Wortes weckt ungute Erinnerungen an die Euthanasie-Praktiken der Nationalsozialisten.
Der "totale Schmerz" ergreift die Sterbenden
Krankenschwester, Sozialarbeiterin und Ärztin Cicely Saunders
In anderen Teilen der Welt ist man da schon weiter. Und zwar weil die englische Sozialarbeiterin Cicely Saunders schon in den 1940er-Jahren spürt, dass etwas nicht stimmt mit der Art, wie Schwerkranke in Hospitälern und Sterbehäusern versorgt werden.
Cicely Saunders prägt den Begriff "Total Pain" für das Phänomen, das sterbenskranke Patienten ergreift. Eine Gesamtheit aus körperlichen und seelischen Schmerzen aus all den Ungewissheiten, die der Tod mit sich bringt, und gleichzeitig den unerlösten Themen aus der eigenen Biografie. Mit einer solchen Erfahrung am Ende des Lebens allein zu sein, erscheint Cicely Saunders grausam.
Das erste moderne Hospiz der Welt
Saunders wird eine der ältesten Medizinstudentinnen in der Medical School des späteren King's College London. Sie will Ärztin werden, um die Schwerkranken an ihrem Lebensende gerade nicht zu verlassen, sondern sich ihnen bewusst zuzuwenden.
Im Jahr 1967 gründet sie in London das St. Christopher's Hospice als erstes modernes Hospiz der Welt.
Umzug in das Dr. Mildred Scheel-Haus
Dr. Mildred Scheel in ihrem Kölner Büro, 1983
Die 1983 an der Kölner Uniklinik eröffnete Palliativstation zieht 1992 nach nebenan in ein eigens errichtetes Haus. Das Dr. Mildred Scheel-Haus ist benannt nach der Gründerin der Deutschen Krebshilfe, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel.
Von hier aus wird seitdem geforscht und gelehrt. Die Palliativmedizin ist nun Teil des Medizinstudiums. Wenn auch nur ein kleiner Teil.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Jana Magdanz
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. April 2023 an die Eröffnung der ersten Palliativstation in Deutschland. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 08.04.2023: Vor zehn Jahren: Todestag der ehemaligen britischen Regierungschefin Margaret Thatcher.