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Euphrat-Staudamm

12. Juni 1966 - Bau des ersten Euphrat-Staudamms in der Türkei beginnt

Stand: 12.06.2021, 10:20 Uhr

Dem Wasser verdankt eines der ältesten Kulturgebiete der Menschheit seine Entstehung. Mesopotamien - Zweistromland - nannten die antiken Griechen die Region zwischen Euphrat und Tigris. Ein Staudammprojekt der Türkei entfacht 1966 einen Wettlauf um die Wasserressourcen im Nahen Osten.

Grundsteinlegung für den ersten Euphrat-Staudamm in der Türkei

WDR Zeitzeichen 12.06.2021 14:55 Min. Verfügbar bis 13.06.2099 WDR 5


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Mit Wasser ist es wie mit Öl: Wer an der Quelle sitzt, der hat ein Recht darauf. Diesen Standpunkt vertritt der türkische Ministerpräsident Demirel, als er in den 1960er Jahre das Südostanatolien Projekt "Güneydoğu Anadolu Projesi" (GAP) ankündigt. Das gigantische Bauvorhaben soll der Türkei das Wasser von Euphrat und Tigris zur landwirtschaftlichen Nutzung und Stromerzeugung erschließen.

Die Lebensadern des Zweistromlandes durchfließen die Türkei, Syrien und Irak, bevor sie in den Persischen Golf münden. Besonders die Iraker sind von ihnen abhängig: Die Flüsse decken 90 Prozent ihres Wasserbedarfs; Syrien braucht 60 Prozent des Euphratwassers. Doch am Hahn der gesamten Region sitzt die Türkei: Dort entspringen Murat und Karasu, die beiden Quellflüsse des Euphrat.

Höchste Talsperre im Nahen Osten

Das GAP-Projekt soll das karge Bergland Südostanatoliens bis zur syrischen Grenze in blühende Agrarlandschaften verwandeln. Dazu ist der Bau von 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken geplant. 1965 errichten deutsche Firmen dort, wo sich Murat und Karasu zum Euphrat vereinen, die ersten Turbinenanlagen. Am 12. Juni 1966 beginnen die Arbeiten am Fundament der Keban-Talsperre, mit 210 Metern der höchste Staudamm des Nahen Ostens.

1975 wird der Euphrat zu einem 125 Kilometer langen See aufgestaut. Unter seiner Oberfläche, größer als die des Bodensees, verschwinden zahlreiche archäologische Stätten der griechisch-römischen Antike. Rund 30.000 Menschen, überwiegend Kurden, mussten ihre Heimat verlassen, was den Konflikt zwischen Ankara und der kurdischen PKK drastisch verschärft.

Planlose Staudamm-Vermehrung

Alarmiert vom türkischen GAP-Projekt entbrennt ein Wettlauf um das Wasser von Euphrat und Tigris. Syrien beginnt 1968 den Bau der Tabqa-Talsperre, die den riesigen Assad-See aufstaut, gefolgt vom Tishrin-Damm östlich von Aleppo. In Irak entstehen der Haditha- Damm und die Mossul-Talsperre. 1983 schließlich startet die Türkei den Bau ihrer größten Euphrat-Sperrmauer, dem Atatürk-Staudamm.

Die radikalen Eingriffe in die Flussstruktur des Nahen Ostens werden von den Anrainerstaaten völlig unkoordiniert geplant und umgesetzt. "Man hat überhaupt nicht im Blick gehabt, was ein einzelner Staudamm und die Summe mehrerer Staudämme für die Ökologie in den Flussbecken bedeutet", kritisiert der Politikwissenschaftler Tobias von Lossow.

Krieg um Wasser unwahrscheinlich

Die ökologischen und sozialen Folgen der türkischen Wasseroffensive sind unübersehbar, besonders in den von Krieg betroffenen Regionen. Rund 60 Millionen Menschen sind südlich der Türkei vom Euphrat abhängig. Doch die Wassermenge, die in Syrien und Irak noch ankommt, hat sich seit Ende der 70er Jahre drastisch verringert – in Irak um bis zu 40 Prozent, Tendenz fallend.

Eine UN-Konvention von 1997 regelt zwar Grundsatzfragen beim Umgang mit grenzüberschreitenden Flüssen. Demnach "steht jedem Anrainer ein fairer und gerechter Anteil an einem Flussbecken zu." Die Türkei allerdings ist der Konvention nie beigetreten.

Seit Jahrzehnten verhandeln Türkei, Syrien und Irak über die Rechte an Euphrat und Tigris. Wasser wird zum Druckmittel zur Durchsetzung politischer Ziele, angesichts der Klimaerwärmung eine scharfe Waffe. Einen Krieg um Wasser hält der Nahost-Experte von Lossow dennoch für unwahrscheinlich. Die Türkei braucht ihn nicht, Syrien und Irak aber würden in den Fluten untergehen, wenn die Riesenstaudämme des Euphrat im Kriegsfall bersten würden.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Marfa Heimbach
Redaktion: Hildegard Schulte

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. Juni 2021 an den Bau des ersten Euphrat-Staudamms. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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