"Karlrobert Kreiten war eines der größten Klaviertalente, die mir persönlich begegnet sind", sagt sein Lehrer Claudio Arrau. "Er hatte eine erstaunliche Leichtigkeit, es gab keine Schwierigkeiten für ihn. Was er machte, hatte immer einen musikalischen Sinn."
Karlrobert Kreiten, der am 26. Juni 1916 in Bonn geboren wird, wächst in Düsseldorf auf. Vater Theo unterrichtet Klavier und Komposition am Konservatorium, Mutter Emmy ist Sängerin. Schon mit elf Jahren tritt Karlrobert öffentlich auf. Mit 16 wird er beim Internationalen Klavierwettbewerb in Wien ausgezeichnet, kurz darauf erhält er in Berlin den Mendelssohn-Preis.
Breites Repertoire
Kreiten studiert in Köln und Wien, 1937 zieht er nach Berlin um und besucht zwei Jahre lang die Meisterklasse von Claudio Arrau. Er gibt in Berlin Solo-Abende, tritt in Konzerten mit den Philharmonikern auf, auch in Düsseldorf und im Kölner Gürzenich.
Kreitens Repertoire ist breit. Er interpretiert Bach, Mozart, Beethoven, glänzt mit Werken von Chopin und Liszt. Er spielt ebenfalls Klavierkonzerte von Brahms, Tschaikowski, Rachmaninow, aber auch zeitgenössische Komponisten wie Strawinsky und Prokofjew.
Folgenreiche Äußerung
Der Pianist macht Karriere: Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler und Hermann Abendroth engagieren ihn, er konzertiert in ganz Deutschland. Kreiten gilt als politisch uninteressiert, trotzdem lässt er sich nicht von der NS-Kulturpolitik instrumentalisieren - wie etwa sein Kollege Wilhelm Kempff.
Nach der deutschen Niederlage in Stalingrad wird klar, was Kreiten denkt. Im März 1943 äußert er sich gegenüber einer Freundin seiner Mutter: Der "Führer" sei krank, das Geschick von Deutschland hänge von einem "Wahnsinnigen" ab, der Krieg sei längst verloren. Die Freundin, eine überzeugte Nationalsozialistin, denunziert ihn.
Von Freisler verurteilt
Kreiten wird verhaftet und am 3. September 1943 vom "Volksgerichtshof" unter dem Vorsitz von Roland Freisler wegen "Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung und defaitistischer Äußerungen" zum Tode verurteilt. Trotz mehrerer Gnadengesuche - unter anderem von Furtwängler - wird Karlrobert Kreiten vier Tage später erhängt. Sein Schicksal gerät nach dem Krieg in Vergessenheit.
1987 berichtet jedoch der "Spiegel" über einen Artikel des Journalisten Werner Höfer, in dem dieser 1943 die Hinrichtung Kreitens gerechtfertigt hat. Höfer, Fernsehdirektor des WDR und Träger des Bundesverdienstkreuzes, legt daraufhin seine Tätigkeiten und Ämter nieder.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christian Kosfeld
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. Juni 2021 an Karlrobert Kreiten. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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