Conrad Ahlers, stellvertretender "Spiegel"-Chefredakteur nach seiner Verhaftung

26. Oktober 1962 - Polizeiaktion gegen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"

Stand: 19.10.2022, 13:57 Uhr

Es ist ein krisenhafter Moment in der noch jungen Bundesrepublik. Staatsanwaltschaft und Polizei gehen nach einem kritischen Bericht gegen "Spiegel"-Journalisten vor - mit weitreichenden politischen Folgen.

26. Oktober 1962, an diesem Freitagabend soll die neueste Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" in Druck gehen. Doch um 21.30 Uhr besetzen Polizisten und Fahnder des Bundeskriminalamtes die Redaktionsräume im Hamburger Pressehaus. Mitten in der Nacht fordert - der 15 Jahre später von der RAF ermordete - Staatsanwalt Siegfried Buback die Herausgabe der Druckfahnen. Sein Verdacht: Geheimnis- und Landesverrat. 

Auch das Bonner Büro des Nachrichtenmagazins wird noch in der Nacht durchsucht. Leitende Redakteure müssen sofort in Haft. Herausgeber Rudolf Augstein stellt sich am nächsten Tag der Polizei. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) nutzt seine Kontakte zum Franco-Regime und lässt den stellvertretenden Chefredakteur Conrad Ahlers im Spanienurlaub verhaften.

Polizeiaktion gegen das Magazin "Der Spiegel" (am 26.10.1962)

WDR Zeitzeichen 26.10.2022 14:48 Min. Verfügbar bis 26.10.2099 WDR 5


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Spiegel-Titel 41/1962: Spiegel-Affäre um Bundeswehr-Generalinspekteur, Vier-Sterne-General Friedrich Foertsch. "Bedingt abwehrbereit", Auslöser der Spiegel-Affäre.

"Spiegel"-Ausgabe 41/1962 löst die Affäre aus

Vier verhaftete Redakteure, teils versiegelte Geschäfts- und Redaktionsräume, Hausdurchsuchungen in Privatwohnungen, alles wegen eines gut zwei Wochen alten Artikels im "Spiegel", der bei seinem Erscheinen zunächst gar keinen großen Aufschrei oder gar Aufruhr verursacht - obwohl der Titel wenig schmeichelhaft klingt: "Bundeswehr – Bedingt abwehrbereit". In dem Artikel berichtet das Magazin kritisch über atomare Planungen der Bundeswehr und die Verteidigungsfähigkeit der jungen Republik.

Herausgeber und Minister verfeindet

Die Affäre fällt in eine besonders angespannte Phase des Kalten Kriegs: 1962. Das Jahr der Kuba-Krise. Die Truppen von Minister Strauß entsprechen nicht dem, was die NATO fordert, weder an Stärke noch an Ausrüstung. Ein Mangel, den Strauß mit dem Einsatz atomarer Kleinstkampfmittel, Atom-Granatwerfer, ausgleichen will. Einen Taschenspielertrick nennt Conrad Ahlers das in seinem Artikel - und zudem extrem gefährlich.

Der Verteidigungsminister ist kein Freund des Hamburger Nachrichtenmagazins, er und "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein gelten als Intimfeinde, erstes Ziel des Blattmachers: einen künftigen Kanzler Strauß verhindern.

"Abgrund von Landesverrat"

Gerieten schwer in die Kritik: Bundeskanzler Adenauer (r), Verteidigungsminister Strauß (l)

Gerieten schwer in die Kritik: Bundeskanzler Adenauer (r), Verteidigungsminister Strauß (l)

Weder der seit 1949 amtierende Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) noch Teile seiner Regierung lassen die Unschuldsvermutung gelten. Einen "Abgrund von Landesverrat" habe man im Land, schimpft der betagte Kanzler im Bundestag. Aus der "Spiegel"- wird eine Strauß-Affäre.

Stellvertretender Chefredakteur Conrad Ahlers und "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein (r)

Nach der Haftentlassung: Rudolf Augstein (l) im Februar 1963 in Begleitung seines stellvertretenden Chefredakteurs Conrad Ahlers

Drei Tage dauert die Fragestunde, in der das Parlament wissen will, wer hinter der Durchsuchung und der Verhaftung der Redakteure steckt? Wie konnte Conrad Ahlers, der Autor des Artikels, im francistischen Spanien verhaftet werden, warum wusste der liberale Justizminister nicht Bescheid? Franz Josef Strauß leugnet zuerst, windet sich, versucht sich rauszureden. Umsonst. Strauß muss seinen Platz räumen. Auch Adenauer wird die Affäre nur kurz überdauern, an deren Ende scheitert seine Regierung. Über 100 Tage sitzt Augstein in Untersuchungshaft. Schließlich werden er und seine Kollegen von allen Vorwürfen entlastet.

Die Affäre und ihre Folgen werden zu prägenden Momenten zur Stärkung der Pressefreiheit und Entwicklung einer kritischen Öffentlichkeit in Deutschland. Der "Spiegel", das von Augstein sogenannte „Sturmgeschütz der Demokratie“, wird mit und durch die Affäre zur Institution in der Medienlandschaft der Bundesrepublik.

Autorinnen des Hörfunkbeitrags: Veronika Bock/ Ulrich Biermann
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. Oktober 2022 an die Polizeiaktion gegen das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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