Generaldirektor Heinrich Haffenloher will rein in Münchens Schickeria, unbedingt. Dazu braucht der Klebstofffabrikant aus dem Rheinischen aber den Klatschreporter Schimmerlos. Wie Mario Adorf dem unbestechlichen Kolumnisten als schmieriger stinkreicher Provinzler in "Kir Royal" die Macht des Geldes verklart, ist einfach unvergesslich: "Ich schieb et dir hinten und vorne rein. Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld. (…) Und die Versuchung ist so groß, du nimmst es und dann hab ich dich, dann gehörst du mir, dann bist du mein Knecht."
Brachialen, kraftstrotzenden Typen mit sehr feinen Nuancen Kontur und Tiefe zu geben: Das ist die große Kunst von Mario Adorf. Anfangs lange der Schurke vom Dienst, reift Adorf in den sechs Jahrzehnten seiner Karriere zum fulminanten Charakter-Mimen heran. Im Kino, im Fernsehen und auf der Bühne gehört er zu den gefragtesten und populärsten deutschen Schauspielern.
Mit 13 knapp am "Heldentod" vorbei
In Zürich kommt Adorf am 8. September 1930 als Sohn eines italienischen Chirurgen und einer deutschen Röntgenassistentin zur Welt. Dem Vater wird er nur ein einziges Mal im Leben begegnen; später, als er als junger Student knapp bei Kasse ist. In zehn Minuten fertigt der Arzt in Kalabrien den unerwünschten Sohn ab: "Hier haben Sie eine Adresse, das ist mein Schwager, er ist Anwalt. Der weiß Bescheid und wird das Finanzielle mit Ihnen regeln. Auf Wiedersehen." So erinnert sich Adorf an das Treffen. Seine Kindheit verbringt er bei Mutter Alice, die sich im Eifelort Mayen als Näherin durchschlägt und ihren unehelichen Sohn jahrelang ins Waisenhaus geben muss.
Es sind Jahre, die Adorf entscheidend prägen: "Angst und Hunger. Das waren die beiden Grunderfahrungen meines Lebens. Das hat mich nie ganz losgelassen." Im Sommer 1944 von seinem Lehrer zum Endkampf in den Krieg geschickt, entgeht der 13-Jährige nur dank eines klugen Unteroffiziers der Gefahr, gegen die anrückenden US-Truppen den "Heldentod" zu sterben. Nach Kriegsende macht Mario Adorf sein Abitur, studiert in Zürich und entdeckt am Studententheater seine Liebe zur Schauspielerei. 1957 engagiert ihn der Regisseur Robert Siodmak als Hauptdarsteller des Nazizeit-Krimis "Nachts, wenn der Teufel kam". Die Rolle des debilen Frauenmörders Bruno Lüdke bringt Adorf seinen ersten von vier Bundesfilmpreisen ein - und den Durchbruch im internationalen Filmgeschäft.
"Schauen Sie mal böse"
Der schwarzhaarige Halbitaliener mit der kompakten Statur muss nun meist sinistre Dunkelmänner geben. Dass er als Schurke Santer in "Winnetou I" auch noch die schöne Häuptlingsschwester Nscho-tschi erschießt, macht ihn dem Publikum nicht sympathischer - zunächst. Später wird Mario Adorf Goldene Kameras, Bambis und Verdienstorden in Serie einheimsen. In den 60er Jahren aber bietet ihm Italiens Kino weit interessantere Rollen. Erst 1975 "entdeckt" ihn Volker Schlöndorff für den neuen deutschen Film. Mit tragenden Rollen in "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und dem Oscar-prämierten Werk "Die Blechtrommel" schafft Adorf endgültig den Sprung ins Charakterfach. Rainer Werner Fassbinder holt ihn 1981 für "Lola" vor die Kamera.
Auch das Fernsehen kommt an dem inzwischen graumelierten Adorf nicht vorbei. Knallhart oder rührend, ernst oder komisch und oft mit einer Spur Melancholie spielt er Väter und Opas, ehrenwerte Signori und zwielichtige Honoratioren. Nach Helmut Dietls "Kir Royal" verbucht Adorf als alternder Kaufhaus-King in "Der große Bellheim" und als Kiez-Größe in "Der Schattenmann" große TV-Erfolge. 2014 glänzt der wandlungsfähige Grandseigneur im ARD-Film "Altersglühen" beim Senioren-Speed-Dating. Als nun 85-Jähriger lässt Mario Adorf auf Lesereise mit "Schauen Sie mal böse" seine Karriere noch einmal Revue passieren.
Stand: 08.09.2015
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. September 2015 ebenfalls an Mario Adorfs Leben. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.