"Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer. Weil sie schwächer sind, weil sie kleiner sind und weil sie weniger intelligent sind", sagte der 74-jährige polnische EU-Abgeordnete Janusz Korwin-Mikke im März 2017 im EU-Parlament in Brüssel. Viele Zuhörer waren empört, aber noch vor wenigen Jahrzehnten waren solche Äußerungen alltäglich.
"Im Deutschen Bundestag nach 1949 gab es solche Bemerkungen zuhauf", sagt die Juristin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), die sich seit den 1950er-Jahren für die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf Gesetzesebene engagiert.
"Männer und Frauen sind gleichberechtigt"
Damals werden Frauen durch die Heirat zu weitgehend rechtlosen Wesen. Ohne Zustimmung des Ehemanns: kein Konto, kein Vermögen, keine Arbeit. Daran rüttelt die Rechtsanwältin und SPD-Politikerin Elisabeth Selbert.
Als eine von vier Frauen im Parlamentarischen Rat mit seinen 65 Mitgliedern gelingt es ihr, die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Verfassung vom Mai 1949 zu verankern. Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes lautet: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt."
"Ausgesprägter Ehetyrann"
"Ich war gar nicht entzückt von dieser Bestimmung", kommentiert damals Thomas Dehler (FDP), ebenfalls Mitglied im Parlamentarischen Rat und ab September 1949 Justizminister. "Man kann das Leben nicht regulieren. Ich zum Beispiel bin ein ausgeprägter Ehetyrann. (…) Am Ende haben auch hartgesottene Ehemänner, wie ich einer bin, sich gebeugt, damit die gute Seele ihre Ruhe habe", erklärte Dehler.
Doch die Gesetze des Bürgerlichen Gesetzbuches stammen weiterhin aus der Kaiserzeit, als der Mann noch absolutes Oberhaupt der Familie war. Neben dem Verfassungsgrundsatz müssen also neue Gesetze her. "Denn die alten verstießen per se gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung", erklärt die Juristin Lore Maria Peschel-Gutzeit.
Doch die Gesetzgebung stockt: Der Bundestag engagiert sich wenig und auch Teile der Bevölkerung und die Katholische Kirche sind patriarchalisch eingestellt.
Ehefrauen dürfen endlich eigenes Vermögen verwalten
1957 steht im Deutschen Bundestag ein fünf Jahre alter Entwurf für ein Gleichberechtigungsgesetz erneut zur Diskussion. Nach zähem Kampf wird das "Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts" am 3. Mai 1957 verabschiedet. Am 1. Juli 1958 tritt es in Kraft. Dass Gesetze erst über ein Jahr nach ihrer Verabschiedung tatsächlich greifen, ist im Prozess der Gesetzgebung nicht ungewöhnlich.
"Natürlich versprach dieses Gesetz mehr, als es gewährte. Das Wichtigste, was es brachte, war ein neuer Güterstand", sagt Peschel-Gutzeit. Ehefrauen dürfen nun ihr eigenes Vermögen selbst verwalten. Außerdem gehen Frauen bei einer Scheidung nicht mehr leer aus, sondern werden an dem in der Ehe erwirtschafteten Vermögen beteiligt.
Um weitere Verstöße gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz zu beheben, braucht der Gesetzgeber allerdings noch Jahrzehnte.
Erst 1994 wird Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes um folgenden Satz ergänzt: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 3. Mai 2017 ebenfalls an das Gleichberechtigungsgesetz. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 04.05.2017: Vor 25 Jahren: Volksabstimmung der kanadischen Inuit