Die allererste Mittelmeer-Kreuzfahrt unternimmt den Überlieferungen Homers zufolge der listige Odysseus – allerdings unfreiwillig. Verfolgt vom Götterzorn treibt es den Helden des Trojanischen Kriegs zehn Jahre übers Wasser, bis er endlich seine Heimat Ithaka erreicht.
Fast 3.000 Jahre nach der Irrfahrt des Odysseus legt im Juli 1844 in Southampton die "Lady Mary Wood" ab und nimmt Kurs auf das Mittelmeer. In den stürmischen Wintermonaten ist die Atlantik-Flotte der P & O, Englands ältester Dampfschifffahrtsreederei, nicht ausgelastet. So war man auf die Idee gekommen, zahlungsfreudige Passagiere in wärmere Gefilde zu befördern.
Ein Romancier als Werbebotschafter
Die Passagiere der "Lady Mary Wood" haben es weder eilig noch ein festes Ziel. Aus reinem Vergnügen an der Seefahrt und am Sightseeing wollen sie das Mittelmeer durchkreuzen. So schippern sie nach Gibraltar, Malta und Korfu, Konstantinopel und Alexandria.
Auf gewohnten Komfort an Bord und bei ausgedehnten Landausflügen muss die betuchte Reisegesellschaft nicht verzichten. Zu ihr gehört auf Einladung der P & O auch William Makepeace Thackeray. Die Reederei erhofft sich von dem berühmten Romancier Werbung für das neue maritime Urlaubsangebot.
Thackeray enttäuscht die Erwartungen nicht. "Die Reise war so bequem, so reizend und so gewinnbringend, dass ich nicht anders kann, als jedem, der über die Zeit und die nötigen Mittel verfügt, zu empfehlen, auch eine solche Reise zu unternehmen", schreibt er später. Allerdings ärgert er seine Auftraggeber auch mit Schmäh-Kritik über Athen als "Anhäufung baufälliger Hütten", den Pilgerbetrieb in Jerusalem nennt er "schäbiges Theater".
First-Class-Niveau wie im Schlaraffenland
Bald schon werden immer mehr Linienschiffe den Bedürfnissen erlebnishungriger Kreuzfahrt-Passagiere angepasst, der Tourismus entdeckt den Mittelmeerraum.
Bordvergnügung für Passagiere bei einer Kreuzfahrt anno 1912
Die Geburtsstunde der modernen Luxuskreuzfahrt nach heutigen Maßstäben läutet der Hamburger Reeder Albert Ballin ein. Vom flottenvernarrten Kaiser und seiner Gattin persönlich verabschiedet, bricht der Hapag-Dampfer "Auguste Victoria" im Januar 1891 zu einer zweimonatigen Luxus-"Bildungs- und Vergnügungsreise" in den Orient auf.
Umsorgt von einer 290-köpfigen Crew genießen die rund 250 Passagiere den exquisiten Service eines First-Class-Hotels. "Es ist an Bord geradezu ein Schlaraffenland", schreibt Gabriele Freifrau von Lüttwitz begeistert nieder. "Als ich beim Zubettgehen aus dem Bullauge sah, liefen wir gerade in die Bucht von Gibraltar ein."
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