Energieautarkes Solarhaus Freiburg

30. Oktober 1992 - Erstes Solarhaus in Deutschland in Betrieb

Stand: 30.10.2017, 00:00 Uhr

Nicht nur die futuristische Fassade und der entlegene Standort sind mehr als ungewöhnlich. Das zweigeschossige Wohnhaus mitten in einem Freiburger Industriegebiet ist weder ans Stromnetz angeschlossen noch hat es einen Kamin auf dem Dach und eine Öl- oder Gasheizung im Keller.

Trotzdem hat niemand Wilhelm Stahl und seine Familie zwingen müssen, das seltsame architektonische Unikum in der wenig anheimelnden Umgebung zu beziehen. Im Gegenteil: Der Hausherr hat es sogar maßgeblich mit entworfen.

Erstes energieautarkes Sonnenhaus in Betrieb (am 30.10.1992)

WDR 2 Stichtag 30.10.2017 04:16 Min. Verfügbar bis 28.10.2027 WDR 2


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Familienleben mit Wissenschaftlern

Die neue Bleibe der Familie Stahl ist Deutschlands erstes energieautarkes Solarhaus. Lediglich Sonnenkollektoren sorgen für Strom, heißes Wasser und wohlige Wärme in den 145 Quadratmetern Wohnfläche. Ein Wasserstofftank dient als Energiespeicher für das von Solarzellen auf dem Dach in Strom umgewandelte Sonnenlicht. Entwickelt wurde das innovative Gebäude von Stahls Arbeitgeber, dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Am 30. Oktober 1992 beginnt das praxisnahe Wohnexperiment mit den Stahls als "Versuchskaninchen".

Unter Experten gilt das ISE-Sonnenhaus als Sensation und Meilenstein auf dem Weg zu energiebewusstem Wohnen. "Wir haben dort praktisch als Familie nie alleine gelebt. Da war jeden Tag mindestens ein Techniker oder Wissenschaftler da", erzählt Wilhelm Stahl später der "Badischen Zeitung". Nach zwei Jahren mit so mancher Fröstel-Phase in sonnenarmen Wochen beenden die Stahls damals den Wohnversuch und beziehen eine Altbauwohnung.

Das Dortmunder EnergiePlus-Projekt

Heute ist energieeffizientes Bauen unter Berücksichtigung erneuerbarer Energien gesetzlich vorgeschrieben und wird gefördert. Wohnen bei völliger Energieautarkie ist zwar noch die seltene Ausnahme, doch viele Kommunen ermuntern Bauwillige zum Energiesparen, um zum Klimaschutz beizutragen. Dortmund etwa hat 2011 eine Kampagne für den Bau von 100 sogenannten Energie-Plus-Häusern gestartet. Die Stadt bietet dazu geeignete Grundstücke an und Experten begleiten die Projekte von der Planung bis zur Fertigstellung.  

"Unser Energie-Plus-Haus setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen", erklärt der Dortmunder Stadtplaner Gerald Kampert. "Zunächst muss es natürlich sehr gut gedämmt sein. Dann verfügt jedes Haus über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine Photovoltaikanlage." Außerdem sollte es eine Batterie als Stromspeicher haben, empfiehlt Kampert, denn Energie-Plus bedeutet: "Jedes Haus produziert mehr Energie als es verbraucht - und zwar 1.000 Kilowattstunden jährlich."

Batterien steigern die Autarkie

Das Haus von Manfred Stute produziert sogar fast 10.000 Kilowattstunden pro Jahr. 2013 hatte der Dortmunder Ingenieur die Vorteile von Energie-Plus entdeckt und mit dem Bau begonnen. "Diese Energieautarkie hat mich unheimlich gereizt. Ich fand es toll, dass es auch hier in Deutschland möglich ist, das Optimale aus der Sonnenenergie herauszuholen." Das Herz seines Hauses ist ein Warmwasserspeicher, der fast 10.000 Liter fasst. Mussten die Stahls damals im Freiburger Sonnenhaus an sehr nebligen Tagen noch zum Duschen ins Hallenbad fahren, so hat Familie Stute heute fast immer warmes Wasser im Überfluss.

Um weiteren Strom zu sparen, will Stute Waschmaschine und Geschirrspüler bald auch mit warmem Wasser speisen. Dortmunds Stadtplaner Kampert wünscht sich, dass bis zum Ende der Energie-Plus-Kampagne 2020 noch mehr Bauherren in eine Batterie investieren. Denn den eigenproduzierten Strom zu speichern und bei Bedarf selbst zu nutzen, entlastet die Haushaltskasse nachhaltig: "Wenn Sie den Strom ins Netz einspeisen, bekommen Sie vielleicht 11 Cent vergütet. Wer den Strom aber selbst verbraucht, muss keinen kaufen, und der kostet ja rund 30 Cent pro Kilowattstunde."

Programmtipps:

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