Für Heinrich VIII. ist der Geburtstag seines ersten Kindes kein Grund zur Freude. Seine Ehefrau Katharina von Aragon hat ein Mädchen zur Welt gebracht, das den Namen Mary erhält. Der König von England aber braucht einen männlichen Nachfolger, um die junge Herrschaft seiner Familie Tudor zu festigen. Eine Frau auf dem Thron hat es noch nie gegeben und wäre ein enormes Risiko für Heinrichs dynastische Pläne. Auch in den folgenden Jahren kann die erzkatholische Katharina dem König keinen Sohn schenken.
Heinrichs radikale Entscheidungen, um einen männlichen Erben zu bekommen, hinterlassen eine tiefe, blutige Spur in der Geschichte Englands. Sie kosten zwei seiner sechs Ehefrauen den Kopf, stürzen das Reich in religiöse Wirren und bringen letztlich doch Mary Tudor auf den Thron. 37 Jahre nach ihrer Geburt am 18. Februar 1516 steigt sie 1553 als Maria I. zur ersten gekrönten Regentin Englands auf. Als "Bloody Mary" geht sie in die Geschichte ein.
Eine Verfemte erobert die Macht
Heinrich VIII. bricht mit der römisch-katholischen Kirche, um die Annullierung der Ehe mit Katharina zu erreichen. Um jeden Preis will er seine Geliebte Anne Boleyn heiraten. Die Geburt deren Tochter Elisabeth macht aus der potentiellen Thronerbin Maria einen illegitimen Bastard. Eine Heirat verbietet Heinrich ihr strikt. Ohne eigenen Haushalt ist sie den Demütigungen der machtbewussten Stiefmutter ausgeliefert. Dennoch weigert sich die streng katholische Frau, die Ehe ihrer Eltern als ungültig und Heinrich VIII. als Oberhaupt der englischen Kirche anzuerkennen. Zum wachsenden Verdruss des Königs schenkt ihm auch Anne Boleyn keinen Sohn. Um sie loszuwerden, lässt Heinrich sie 1536 als vermeintliche Hochverräterin enthaupten. Erst seine dritte Frau Jane Seymour bringt mit Eduard endlich einen Jungen zu Welt.
Eduard VI. ist erst zehn Jahre alt, als sein Vater Heinrich im Januar 1537 stirbt. Keine sechs Jahre später wird der Kindkönig von der Tuberkulose dahingerafft. In seinem Testament schließt er Maria, "die sturste Frau, die es je gab", von der Thronfolge aus. Lordkanzler John Dudley, ein Todfeind Marias, hat die Zeit unter dem unmündigen Eduard genutzt, um die Macht der Protestanten in England durchzusetzen. Die verfemte Maria aber nimmt den Kampf auf und bringt das noch immer katholische Volk hinter sich. Von Dudley verfolgt, gelingt es Maria, vor dem Kronrat ihren Thronanspruch durchzusetzen. In einer weißgoldenen Robe lässt sie sich am 1. Oktober 1553 zur Königin krönen.
Wandel zur Fanatikerin
Kaum an der Macht, leitet Maria I. die Rekatholisierung ihres Reiches ein. Reuigen Protestanten gewährt sie Gnade, John Dudley jedoch wird als Hochverräter hingerichtet. Zum Ehemann erwählt sie den elf Jahre jüngeren Philipp von Spanien, obwohl Volk und Adel den Sohn Kaiser Karls V. und künftigen König des Erbfeindes Spaniens ablehnen. Maria bleibt erneut hart. Zur Hochzeit reist Philipp im Sommer 1554 mit einem Gefolge von 4.000 Mann und 97 Kisten Gold an. Dennoch sind weder Maria noch der Kronrat bereit, ihn zum König zu erheben. Zwei Monate nach der Hochzeit erfährt das Land, dass seine 39-jährige Königin auf wundersame Weise ein Kind erwartet. Doch die Schwangerschaft erweist sich als Fehldiagnose. Enttäuscht verlässt Philipp England und seine tief getroffene Ehefrau.
Damit beginnen die dunklen Jahre in Marias Herrschaft. Zeigte sie zuvor noch religiöse Toleranz, werden Ketzer nun unerbittlich verfolgt. Selbst abtrünnige Geistliche und Adelige in höchsten Ämtern sterben auf den Scheiterhaufen. In ständiger Angst vor Marias katholischem Terrorregime wendet sich das Volk von ihr ab. Als auch noch Calais, Englands letzter Stützpunkt auf dem Kontinent, verlorengeht, keimen Verschwörungen gegen Maria auf, die sie blutig niederschlagen lässt. In ihrem fünften Regierungsjahr verschlechtert sich die Gesundheit der verhassten Königin rapide. Kurz vor ihrem Tod am 17. November 1558 ändert Maria I. ihr Testament und erkennt ihre größte Feindin als rechtmäßige Nachfolgerin an: die Protestantin Elisabeth, Tochter Heinrichs VIII. und Anne Boleyns und Begründerin des englischen Weltreiches.
Stand: 18.02.2016
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