"Die Gestalt ist bereits drinnen. Man muss sie nur freilegen." Das behauptet Michelangelo Buonarroti von der Erschaffung einer Skulptur aus einem Marmorblock. Was wie Bescheidenheit klingt, ist in Wirklichkeit Teil der neuplatonischen Grundeinstellung des Renaissance-Genies, wonach die Idee einer Figur den realen Dingen immer schon innewohnt.
Wie ein Sohn des "Prächtigen"
Geboren wird Michelangelo am 6. März 1475 in Caprese. Mit 13 tritt er in die Werkstatt des Malers Domenico Ghirlandaio in Florenz ein. In Rekordzeit erlernt er die Tricks und Mühen der Freskomalerei und entdeckt die Bildhauerei. 1489 nimmt ihn Lorenzo de' Medici, genannt "der Prächtige", in seine Kunstschule auf. Der mächtige Florentiner Fürst fördert Michelangelo wie einen Sohn. Obwohl dieser sich als schwieriger Charakterkopf erweist, erhält er schon bald mehr Aufträge, als er bewältigen kann.
Auf Einladung des Kardinals Raffaele Riario kommt Michelangelo Ende 1496 zum ersten Mal nach Rom. Für ihn erschafft er einen Bacchus nach antikem Vorbild und bekommt danach den Auftrag für eine Marienstatue in der Peterskirche. Binnen zwei Jahren schlägt Michelangelo aus einem einzigen Marmorblock seine Vision der Maria mit dem Leichnam Jesu heraus. Die noch heute weltberühmte Pietà im Petersdom macht den 23-Jährigen über Nacht berühmt.
Die Sixtinische Kapelle
Zurück in Florenz, nimmt sich Michelangelo 1501 einen ungenutzten Marmorblock vor. Trotz ungünstiger Proportionen meißelt er daraus den überlebensgroßen David, die bekannteste Statue der Kunstgeschichte. Papst Julius II. gibt bei ihm sein Grabmal im Petersdom in Auftrag, eine freistehende monumentale Nekropole mit über 40 Figuren. Das überbordende Projekt führt zum Streit zwischen Papst und Künstler. Wie so viele Werke Michelangelos bleibt es unvollendet. Als Kompensation bietet Julius II. dem Künstler an, die Sixtinische Kapelle mit Fresken zu dekorieren.
In vier Jahren malt Michelangelo die Schöpfungsgeschichte in einen beispiellosen Bilderkosmos an die Decke der Sixtina, im Zentrum die "Erschaffung Adams", in der Gottes Finger den Lebensfunken an Adam überträgt. Mit dem 1541 nach fünfjähriger Arbeit vollendeten "Jüngsten Gericht" an der Stirnseite der Kapelle gelingt Michelangelo eines der brillantesten Werke der abendländischen Kunst.
Architektur zum Schluss
In seinen letzten Lebensjahrzehnten widmet sich Michelangelo überwiegend der Architektur. Er ordnet das seit Jahrzehnten herrschende Chaos beim Bau der neuen Peterskirche und krönt sein Lebenswerk mit dem Entwurf der riesigen, freischwebenden Kuppel. Ihre Fertigstellung erlebt Michelangelo nicht mehr. Er stirbt 1564 in Rom.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. März 2020 ebenfalls an Michelangelo. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 07.03.2020: Vor 55 Jahren: Bürgerrechtsdemonstration in Alabama ("Bloody Sunday")