Attentäter Laszlo Toth schlägt auf die Pieta ein (Foto s/w)

Stichtag

21. Mai 1972 - Hammer-Attentat auf Michelangelos Pietà

Glatter Bruch des linken Arms, Fraktur der Nase, Abschürfungen am linken Augenlid, Schrammen und Risse am Kopf. Was wie die Arztdiagnose nach einem mittelschweren Autounfall klingt, löst 1972 in der Kunstwelt allergrößtes Entsetzen aus. Es sind die schlimmen Folgen eines Attentats, verübt an einem der bedeutendsten Werke der abendländischen Kultur, der Pietà von Michelangelo.

Ein französischer Kardinal hat die Skulptur 1497 bei Michelangelo Buonarroti als Schmuck für sein Grabmal in Auftrag gegeben. Vertraglich verpflichtet er den erst 25-jährigen und noch wenig bekannten Bildhauer, "innerhalb eines Jahres eine lebensgroße Statue zu schaffen, die schöner ist als alle bisherigen Kunstwerke aus Marmor." Michelangelo braucht zwei Jahre, um die ungeheure Forderung des Kardinals zu erfüllen. Aus einem einzigen Block Marmor schlägt er seine Vision der Maria mit dem Leichnam Jesu heraus.

Panik im Petersdom

Dem Renaissance-Genie gelingt ein Werk von anrührender Makellosigkeit, das schon bei seinen Zeitgenossen grenzenlose Bewunderung hervorruft. "Kein Bildhauer oder sonstiger noch so außergewöhnlicher Künstler darf auch nur daran denken, in der Darstellung oder an Anmut zu erreichen, was Michelangelo hier geleistet hat…", schreibt der große Renaissance-Biograf Giorgio Vasari. Als einziges Werk Michelangelos trägt die Statue dessen Signatur. Nachträglich und angeblich heimlich bei Nacht, meißelt der stolze Künstler seinen Namen in die Schärpe um Marias Brust.

Vasaris Urteil hat quer durch alle Epochen Bestand. Einhellig rühmt die Kunstwelt die Pietà als unübertroffene Symbiose handwerklicher und künstlerischer Perfektion. Selbst die fünfjährige Francesca Cadin steht sprachlos vor Michelangelos Werk. Am 21. Mai 1972 besucht sie mit ihrer Mutter die Pfingstmesse im Petersdom – und wird Zeugin des Anschlags. "Auf einmal gab es dieses Durcheinander und Getöse und Panik brach aus", erinnert sich die Römerin. Zuerst habe ihre Mutter an eine Bombe gedacht, an einen Terroranschlag der Roten Brigaden, die damals Italien in Schrecken versetzen. Doch zur Erleichterung der tausenden Gläubigen im Dom spricht sich schnell herum, dass weder der Papst noch sonst ein Mensch zu Schaden gekommen ist.

Wahnsinnstat eines religiösen Fanatikers

Das Pontifikalamt mit Papst Paul VI. ist gerade beendet, als ein bärtiger Mann über die Absperrung der Pietà in der ersten Seitenkapelle rechts klettert. Aus seinem Regenmantel zieht er einen Hammer und schlägt auf die ungeschützte Statue ein. "Jesus ist auferstanden! Ich bin Jesus", soll er dabei gerufen haben. Erst nach mehreren Schlägen kann ein Feuerwehrmann den Attentäter überwältigen. Der offenbar geistesgestörte Täter wird als Laszlo Toth identifiziert. Die Ermittlungen ergeben, dass der 34-jährige Australier ungarischer Abstammung bereits zuvor im Vatikan als religiöser Fanatiker aufgefallen war. Toth wird in einer Klinik für psychisch Kranke untergebracht und 1975 aus Italien ausgewiesen. Danach verliert sich seine Spur.

Im Auftrag des Vatikans prüft ein Team von Experten, ob und wie die Schäden der Hammer-Attacke repariert werden können. Glücklicherweise können sie sich an einer Gipskopie der Pietà orientieren. Mit den Originalfragmenten sowie einer Paste aus Marmorpulver und Polyester gelingt es den Restauratoren, die Statue originalgetreu wiederherzustellen. Schon Anfang 1973 kann Michelangelos Pietà dorthin zurückkehren, wo sie seit mehr als 250 Jahren gestanden hatte – nun allerdings im Schutz einer Panzerglasscheibe.

Stand: 21.05.2012

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