"Wilhelm von Nassau, bin ich von deutschem Blut", schmettern die Niederländer bei offiziellen Anlässen. Dass in der Nationalhymne ausgerechnet "deutsches Blut" besungen wird, sorgt immer wieder für emotionale Diskussionen.
Doch an der Herkunft des verehrten Helden lässt sich nichts ändern. "Weil Wilhelm von Oranien eben ein Deutscher war, geboren in Dillenburg im Westerwald", erklärt der deutsch-niederländische Historiker Christoph Driessen. Wilhelm gilt als "Vater des Vaterlandes", bei ihm liegt der Ursprung des heutigen Königshauses Oranien-Nassau.
Heldenlied auf einen Deutschen
Zum niederländischen Nationalhelden wird der 1533 geborene deutsche Fürst im 16. Jahrhundert, als er gegen die spanische Krone kämpft. Das Volk rebelliert gegen die katholische Herrschaft, nachdem der spanische König Philipp II. die Rechte für Adel und Volk immer mehr einschränkt und die sich ausbreitende Reformation blutig niederschlägt.
Zwar versucht Wilhelm - der niederländische Ländereien geerbt und als Statthalter von der spanischen Krone eingesetzt wurde - zunächst zwischen den Fronten zu vermitteln. Das beschert ihn den Beinamen "der Schweiger". Als die spanischen Besatzer immer schrecklicher vorgehen, wechselt Wilhelm zum Widerstand, bringt sein beachtliches Vermögen ein und vereint die Provinzen im gemeinsamen Kampf. Er selbst wird 1584 von einem Attentäter in Delft getötet.
Zwischen Freiheit und Königstreue
Vermutlich ein Mitstreiter verfasst bereits 1570 den Epos "Het Wilhelmus" als Soldatenlied, das in der Ich-Form den Konflikt des adeligen Statthalters beschreibt. "Einerseits will er seinem König treu bleiben, andererseits aber auch die Freiheit der Niederlande verteidigen", erklärt Driessen. Königstreu und freiheitsliebend, damit können sich viele Niederländer noch heute identifizieren, wenn sie ihre Hymne singen.
Allerdings sind die 15 Strophen selbst für die feierlichsten Anlässe zu lang. Meistens beschränkt man sich auf die Erste. Manchmal wird noch die Sechste angestimmt, die im Zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzung populär war. "Denn dort gelobt Wilhelm von Oranien Widerstand gegen den König von Spanien, er gelobt, gegen die Tyrannei zu kämpfen und das ließ sich ganz gut ummünzen gegen die deutschen Besatzer, gegen die Nazis", sagt Driessen.
Angeblich älteste Nationalhymne der Welt
"Het Wilhelmus" gilt heute als älteste Nationalhymne der Welt, was die Einheit von Musik und Text angeht. Zum offiziellen Staatslied wird es allerdings erst auf Umwegen gekürt: Als im 19. Jahrhundert die Idee eines Musikstücks für staatstragende Ereignisse in Mode kommt, kann es sich im belgisch-niederländischen Königreich nicht durchsetzen: Den katholischen Belgiern ist es zu protestantisch und zu eng mit den Oraniern verbunden. Mittels eines Wettbewerbs wird das Lied "Wem niederländisches Blut in den Adern fließt" zur Hymne ausgewählt.
Bis sich 1877 der österreichische Komponist Eduard Kremser noch einmal "Het Wilhelmus" vornimmt und aus dem munteren Soldatenlied eine getragene Melodie macht. "Die entsprach nach dem damaligen Zeitgeschmack dem Duktus einer Nationalhymne", sagt Driessen. "Het Wilhelmus" findet viele neue Fans, unter anderem Königin Wilhelmina, auf deren Wunsch die niederländische Regierung das Lied am 10. Mai 1932 zur Nationalhymne erklärt. Seitdem gibt es immer wieder Versuche, eine modernere Hymne zu etablieren – aber bislang ohne Erfolg.
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