Machtbesessene Krieger, hinterhältige Mörder, zügellose Pornokraten, solche Gestalten sind in der Papstgeschichte keine Seltenheit. In ihren finstersten Epochen entpuppt sich der Heilige Stuhl, meist heiß umkämpft und blutig erobert, für etliche Stellvertreter Christi als prompter Schleudersitz in die Ewigkeit. So etwa zwischen 896 und 916, als binnen 20 Jahren gleich zwölf Gottesmänner zum Papst aufsteigen und fast alle in kürzester Frist wieder spurlos verschwinden – in Kerkern, Klöstern oder unter der Erde. Nur Sergius III. (904-911) kann sich sieben Jahre halten; er allein ließ drei Vorgänger ermorden. Wie seine Rivalen ist Sergius tief in eines der schaurigsten Ereignisse der Papsthistorie verwickelt, das mit der absurden "Leichensynode" gegen Papst Formosus seinen Höhepunkt findet.
Makabrer Schauprozess
Formosus, Bischof von Porto bei Rom, wird 891 unter vergleichsweise friedlichen Umständen zum Papst gewählt. Niemand erhebt Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Pontifikats. 896 stirbt Formosus im Alter von 80 Jahren und erhält ein ehrenvolles Begräbnis. Doch neun Monate und zwei Päpste später entbrennt ein heftiger Streit über seine Wahl. Nach dem "Translationsgesetz" ist Bischöfen der Wechsel in ein anderes Bistum eigentlich streng verboten. Da aber der zugleich Bischof von Rom ist, durften Bischöfe nach damaligem Recht nicht Papst werden. Im Januar 897 lässt Papst Stephan VI. die Leiche des Formosus aus der Gruft zerren und macht sie zum Hauptdarsteller eines makabren Schauprozesses. Gekleidet in kostbare Gewänder auf dem Papstthron sitzend wird der halbverweste Körper der Verschwörung gegen seinen Vorgänger Johannes VIII. und anderer Verbrechen angeklagt.
Nach dem unvermeidlichen Schuldspruch reißen Stephans Schergen Formosus die päpstlichen Gewänder wieder herunter, schlagen den Schwurfinger der rechten Hand ab und verscharren den Körper wie den eines Heiden. Kurz darauf wird das Skelett erneut ausgegraben und in den Tiber geworfen. Sechs Monate nach dem Schauerdrama stürzt das Dach der Lateran-Basilika ein. Das Volk erkennt darin Gottes Zorn und stürmt die päpstlichen Gemächer. Stephan VI. wird in den Kerker gestoßen und dort erwürgt.
Rehabilitation und erneute Schändung
Unter Stephans Nachfolgern entbrennt nun ein erbitterter Kampf zwischen Anhängern und Feinden des Formosus. Zunächst werden alle Urteile der Leichensynode für ungültig erklärt, der Verfemte rehabilitiert und seine wiederentdeckten Reste feierlich in St. Peter bestattet. Sergius III. aber, der sich 904 nach mehreren Anläufen endlich auf den Papstthron putschen kann, macht wieder alle Beschlüsse rückgängig. Er lässt den Kadaver des Formosus erneut exhumieren, schänden und zurück in den Tiber befördern. Der Krieg zwischen Formosianern und Antiformosianern spaltet den Vatikan noch weitere fünf Jahrzehnte. Erst die Synode von Ravenna im Jahr 967 lässt endgültig alle Akten der Leichensynode verbrennen und bestimmt: Niemals wieder soll über einen Toter Gericht gehalten werden.
Stand: 04.04.2011
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