Keine allgemeine Wehrpflicht - Berufsarmee mit maximal 100.000 Mann - Auflösung des Großen Generalstabs: So steht es im Versailler Vertrag von 1919, in dem die Alliierten nach dem Ersten Weltkrieg die Demilitarisierung des Deutschen Reichs vorschreiben. Mit einem Rache-Feldzug gegen den "Schandvertrag", gegen die "Schmach von Versailles", greifen die Nationalsozialisten 1933 nach der Macht. Kaum im Amt, leitet Reichskanzler Adolf Hitler die Wiederaufrüstung Deutschlands ein.
Für Zeitgeschichtler steht außer Frage, dass sich Hitler von Anfang an für den Krieg rüstet. "Aber er war damit nicht allein, sondern es gab von der Reichswehr bis hin in weite politische Kreise die Vorstellung, dass Deutschland, um seine Ehre wiederherzustellen, auch wieder wehrhaft sein müsse", erklärt der Münsteraner Historiker Hans-Ulrich Thamer.
Reichswehr als Erfüllungsgehilfe der Nazis
SA-Chef Ernst Röhm beabsichtigt, seine dreieinhalb Millionen Mann umfassende Organisation zum Träger der neuen Wehrhaftigkeit zu machen. Doch Hitler entscheidet sich gegen die braune Prügel-Truppe und für die Reichswehr. "Weil er natürlich, wie er das selber nannte, große Politik nur mit Profis machen konnte", erläutert Hans-Ulrich Thamer. Etliche hohe Reichswehr-Offiziere sind glühende Bewunderer Hitlers. Als der Führer 1934 im Zuge des vermeintlichen "Röhm-Putsches" die gesamte SA-Führung liquidiert, kann er sich der Unterstützung der Reichswehr sicher sein – obwohl der Säuberungsaktion mit Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow auch zwei Generäle zum Opfer fallen.
Mit dem Beistandspakt zu diesem Mordkomplotts machen sich die Offiziere der künftigen Wehrmacht zu Erfüllungsgehilfen des Nazi-Regimes – und werden dessen Umklammerung nicht mehr entkommen. Im März 1935 verkündet Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast das "Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht. Paragraf 1: Der Dienst in der Wehrmacht erfolgt auf Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht." Den unverhüllten Bruch des Versailler Vertrages quittiert die Menge mit tosendem Applaus.
Treueschwur auf Adolf Hitler
Die Wehrdienstdauer beträgt anfangs nur ein Jahr – genug, um die Rumpfarmee zu reorganisieren. Mit der Besetzung des Rheinlands im März 1936 kann die Wehrmacht ihr Rekrutierungspotential dann enorm steigern. Frankreich und Großbritannien protestieren auf diplomatischem Weg gegen die "kalte Außerkraftsetzung" des Versailler Vertrags. Doch durch eigene innenpolitische Probleme belastet oder wie der britische Premier Neville Chamberlain von naiven Friedenshoffnungen geleitet, lassen sie Hitler gewähren.
Am 24. August 1936 kann Hitler die Verlängerung der Wehrpflicht auf zwei Jahre anordnen. Im Schatten der Olympischen Spielen, mit denen die Welt in jenem Jahr geblendet wird, steigt die ursprüngliche Heeresstärke von 100.000 Mann bereits auf 520.000 an. Millionen werden ihnen in den kommenden Jahren folgen und, eingeschworen auf "den Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht", Europa in den Krieg ziehen.
Stand: 24.08.2011
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