Potsdamer Bahnhof vor 1945

Stichtag

30. August 1872 – Potsdamer Bahnhof in Berlin eingeweiht

Am 30. August 1872 läuft ein Sonderzug aus Bad Gastein im Potsdamer Bahnhof ein. An Bord ist Kaiser Wilhelm I., der den Neubau einweihen soll. Aber ein längerer Maurerstreik hat die Arbeiten verzögert: Die Anlage ist noch nicht vollständig betriebsbereit. Kurzerhand lassen die Verantwortlichen Paravents aufstellen, damit der Kaiser die Baustelle nicht sehen muss.

Der Kaiser lässt sich von dem Chaos nicht beeindrucken. Er schaut weder nach links und rechts, sondern durchquert den Bahnhof nach der Einweihung gemessenen Schritts. Dann steigt er in seine Kutsche und fährt Richtung Stadtschloss davon.

Die "wunderbare Kraft des Dampfes"

Die Geschichte des Potsdamer Bahnhofs beginnt vierzig Jahre zuvor, in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts. Ein "Ehrenpunkt" soll die Haltestelle sein, schreibt damals der Ingenieur August Leopold Crelle, "und zeigen, dass man auch hier der wunderbaren Kraft des Dampfes ebenso sich zu bedienen vermöge, wie es in anderen Ländern mit so vielem Aufsehen geschieht".

Um in punkto Dampflok-Kraft vor allem gegenüber England aufzuholen, wird die Strecke Potsdam-Berlin zur Eisenbahn-Teststrecke erkohren. 1838 wird sie eröffnet. Der eigens dafür gebaute erste Potsdamer Bahnhof allerdings wird lieblos aus dem Boden gestampft.

Mitten im Sündenbabel

Der 1872 eingeweihte Neubau wird nötig, weil die Strecke schon bald aus allen Nähten platzt. Er ist mit seinen Bögen, Türmen, der ausladenden Loggia sowie mit seinen hohen, stuckverzierten Wartesälen nach dem damaligen Zeitgeschmack gebaut. Hinter seiner repräsentativen Fassade verbirgt sich eine hochmoderne Bahnhofshalle aus Stahl und Glas.

Der Bahnhof am dicht befahrenen Potsdamer Platz wird schnell zum Durchgangspunkt vor allem für die arbeitende Berliner Bevölkerung. In den 20er Jahren laufen hier auch die Touristen aus der Provinz ein, um sich im Sündenbabel der Hauptstadt umzusehen – und werden gleich auf dem Vorplatz von den Dirnen empfangen.

Heute unterirdisch

Im Zweiten Weltkrieg wird der Potsdamer Bahnhof ausgebombt und abgebaut. Danach läuft der Verkehr nur noch unterirdisch. Bis heute ist der Potsdamer Bahnhof unterirdisch geblieben: S-Bahn und U-Bahn fahren hier, ebenso wie ein paar Regionalzüge Richtung Hauptbahnhof.

Ansonsten ist der Potsdamer Bahnhof seiner Anfangszeit treu geblieben: Auch der Nachwende-Neubau von 2006 wird nicht rechtzeitig fertig. Seine Fertigstellung verzögert sich um ganze vier Jahre.

Stand: 30.08.2012

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