Zwei Jahre lang wird das Brandenburger Tor restauriert: Abgase haben den Sandstein zerfressen, der Durchgangsverkehr hat die Statik erschüttert. Nach Beendigung der Arbeiten soll das Berliner Wahrzeichens am Tag der Einheit der Öffentlichkeit präsentiert werden. Da die Baustellen-Planen bereits entfernt worden sind, wird das Tor in weißes Tuch gehüllt, das mit einem über 20 Meter langen Reißverschluss versehen ist. Daran baumelt ein großes "B" - das für Willy Bogner steht. Der bayerische Mode-Designer soll die Hülle entfernen: "Ich werde mit einem Ballon auf das Tor hochschweben und dann mich an einem Seil praktisch genau unterhalb der Quadriga abseilen lassen und dabei diesen Reißverschluss öffnen."
Am Abend des 3. Oktobers 2002 ist es so weit: Bogner lässt im Licht der Scheinwerfer das Tuch zu Boden gleiten. Eine dreiviertel Million Zuschauer verfolgen das Spektakel. "Das Tor war ein Symbol der Teilung, heute ist es ein echtes Symbol der Einheit", sagt Ehrengast Bill Clinton, ehemaliger US-Präsident.
"Zu einem Siegesdenkmal geworden"
Entstanden ist das klassizistische Bauwerk zwischen 1789 und 1791. Preußens König Friedrich Wilhelm II. hatte dem Architekten Carl Gotthard Langhans den Auftrag gegeben, eine neue Toranlage für die Berliner Stadtmauer zu gestalten. Vorbild dafür waren die Propyläen, der monumentale Eingangsbereich der Akropolis von Athen. 1793 wird das Tor mit einer Quadriga gekrönt - einem Vierspänner, der von der Siegesgöttin Victoria gelenkt wird. Nach der Niederlage Preußens 1806 verschleppen Napoleons Soldaten die Plastik nach Paris. Doch nach den Befreiungskriegen und dem Sieg über Napoleon wird die Skulptur - in Kisten verpackt - 1814 nach Berlin zurückgebracht.
"In diesem Zusammenhang ist das Brandenburger Tor zu einem Siegesdenkmal geworden", sagt Historiker Gustav Seibt. Die Neuinstallation der Quadriga sei eine Machtdemonstration Preußens gewesen. Während preußische Kaiser und Könige am Brandenburger Tor ihre Feiern und Siege zelebrieren, ziehen nach der deutschen Kapitulation im Ersten Weltkrieg die geschlagenen Truppen durchs Tor. Im Zweiten Weltkrieg wird das Tor schwer beschädigt. Im Zug der Rekonstruktion muss die Quadriga 1956 sogar durch eine Kopie ersetzt werden. Als 1961 die Mauer gebaut wird, steht das Tor fast drei Jahrzehnte unpassierbar im östlichen Sperrgebiet. Nach der Wende wird das Tor schließlich am 22. Dezember 1989 unter dem Jubel von mehr als 100.000 Menschen wieder geöffnet.
Kutschen statt Autos
Seine ursprüngliche Funktion als Durchfahrt hat das Brandenburger Tor mittlerweile allerdings verloren. Im Oktober 2002 hat der Berliner Senat eine Durchfahrtssperre für alle Kraftfahrzeuge erlassen. Auf dem verkehrsberuhigten Pariser Platz am Tor tummeln sich heute Touristen, Straßenkünstler und Souvenirverkäufer. Statt Autos sind Pferdekutschen und Fahrrad-Rikschas unterwegs.
Stand: 03.10.2012
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