In den 1940er Jahren ist er ganz oben: Bandleader und Klarinettist Woody Herman begeistert mit seinem swingenden Jazz die USA. Seine Karriere beginnt der am 16. Mai 1913 in Milwaukee geborene Sohn deutscher Einwanderer schon als Kind: Sein musikalischer Vater lässt ihn mit sechs Jahren in Varietés singen und tanzen. Mit kaum 15 Jahren verlässt Woody die School of Music an der katholischen Marquette University im US-Bundesstaat Wisconsin und zieht nach Los Angeles. Dort schließt er sich als Sänger und Klarinettist dem Orchester Tom Gerun an. 1934 wird er Mitglied der Band des Saxofonisten Jones Isham. Als sich die Gruppe auflöst, gründet Herman aus dem Stamm des Ensembles seine erste eigene Formation: "The Band that plays the Blues" ("Die Band, die Blues spielt").
Schon beim Debüt im "Roseland Ballroom" in New York setzt Herman 1936 Maßstäbe. Die Band tritt im Wechsel mit dem bereits berühmten Orchester von Count Basie auf. Drei Jahre später hat Herman mit dem Blues "Woodchoppers Ball" ("Holzhacker-Fest") einen ersten großen Hit. Mehr als eine Million Mal verkauft sich die Single. Hermans Bigband etabliert sich als eines der besten Orchester der Swing-Ära. Die Band tritt im mondänen "Glen Island Casino" nördlich von New York City auf und spielt vor fast 5.000 Zuhörern im riesigen "Hollywood Palladium" in Los Angeles.
Hermans "Herde"
Bald darauf nennt Herman sein Orchester um in "Herman's Herd" ("Hermans Herde"). Unter diesem Namen spielen die Musiker in begehrten Radioshows. Im Lauf der Jahre löst Herman seine "Herde" immer wieder auf, um sie später in neuer Besetzung wiederzubeleben. Jede der mindestens vier "Herden" hat ihren eigenen musikalischen Charakter. Während die erste vor allem durch den dominanten Trompetenklang auffällt, sind für die zweite weiche Saxofone typisch. Das Stück "Four Brothers" ist zum Inbegriff dieses Sounds geworden. Mit seiner dritten "Herde" geht Herman erstmals auch auf Europa-Tournee und spielt Mainstream-Jazz. Ab 1956 tendiert Herman mit der vierten "Herde" schließlich zum Hard Bop.
Herman legt großen Wert darauf, künstlerisch nicht stehen zu bleiben. Er lässt vom Bebop-Trompeter Dizzy Gillespie ein Stück schreiben und nimmt nach 1960 auch Rock-Elemente in seine Arrangements auf. Später spielt sein Orchester auch Songs von Carole King, Frank Zappa, Stevie Wonder, Chick Corea oder John Coltrane. Mehr als 50 Jahre lang gelingt es Herman auf diese Weise, erfolgreich den Bestand seines Orchesters zu sichern.
1,6 Millionen Dollar Steuerschulden
Herman verdient viel Geld - bis er herzkrank wird und nicht mehr ohne Rollstuhl auskommt. Nicht einmal mehr seine Arztrechnungen kann er bezahlen. Das ist eine Folge von hohen Steuerrückständen aus den 1960er Jahren. Ein früherer Manager soll das Geld veruntreut haben. Schließlich klagt die US-Steuerbehörde 1,6 Millionen Dollar ein. 1985 versteigert das Steueramt Hermans Haus in Hollywood, das er 1946 von Humphrey Bogart gekauft hat, für einen Viertel des Werts. Schließlich kann der Musiker seine Miete nicht mehr bezahlen. Erst eine Spendenaktion, an der sich auch Prominente wie Frank Sinatra und Clint Eastwood beteiligen, bewahren Herman vor der Obdachlosigkeit.
Wood Herman stirbt am 29. Oktober 1987 mit 74 Jahren in Los Angeles an einem Herzanfall. Bis heute erinnert an ihn ein "Fonds für Jazzmusiker in Not".
Stand: 16.05.2013
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