Den Friedensnobelpreis erhalten auch Menschen, die nicht immer friedfertig waren. Am 27. Oktober 1978 wird die Auszeichnung zwei Staatsmännern zugesprochen, die beide schon Kriege geführt oder blutige Anschläge verübt haben: Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Staatschef Anwar el Sadat. Immerhin haben die beiden einen dauerhaften Frieden zwischen ihren Ländern geschlossen.
Die Initiative dazu ist aus Ägypten gekommen. Doch zunächst deutet nichts auf diese Entwicklung hin. Als Sadat nach dem Tod von Abdel Nasser 1970 an die Macht kommt, wird er unterschätzt. Das ägyptische Militär will putschen, doch Sadat setzt sich durch. Er schlägt Israel einen Friedensvertrag vor, allerdings ohne Erfolg. Für Israel gibt es keinen Verhandlungsdruck: Das Land hat bisher alle Kriege gegen Ägypten gewonnen und beim letzten, dem Sechs-Tage-Krieg von 1967, sogar den Sinai besetzt. Sadat droht nun mit Gewalt: "Krieg ist unvermeidlich", sagt er 1972 vor dem ägyptischen Parlament. "Wir geben keinen Zentimeter arabischen Landes auf."
Sadat in Jerusalem
Am 6. Oktober 1973, dem israelischen Feiertag Yom Kippur, greifen Ägypter und Syrer überraschend Israel an. Israel steht am Rand einer Niederlage und gewinnt den Krieg nur mit Mühe - und dank US-amerikanischer Waffen. Symbolischer Sieger ist jedoch Sadat. Israels Nimbus der Unbesiegbarkeit ist beschädigt. Ägyptens Präsident gelingt es, die USA als neuen starken Partner zu gewinnen. Alle sowjetischen Berater hat er längst aus dem Land geworfen.
Im Juni 1977 wird Menachem Begin Israels neuer Ministerpräsident. Ein Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg Anschläge verübt hat - im Kampf für die Unabhängigkeit Israels. So ließ er etwa 1946 das britische Hauptquartier im Jerusalemer King-David-Hotel sprengen. Dabei kamen 91 Menschen ums Leben. Sadat versucht, Israels neuen Premier unter Druck zu setzen, und kündigt im November 1977 vor dem ägyptischen Parlament einen neuen Vorstoß an: "Für den Frieden bin ich bereit, bis ans Ende der Welt zu gehen." Er sei auch bereit, in der Knesset zu sprechen. Womit niemand rechnet: Begin nimmt die Selbsteinladung an. Zehn Tage später landet Sadat in Jerusalem. Dort wiederholt er seine Forderung nach einem Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten.
Verhandlungen in Camp David
Gleichzeitig vermittelt der amerikanische Präsident Jimmy Carter zwischen den beiden Seiten. Die Verhandlungen finden auf dessen Landsitz Camp David statt. Nach 13-tägigen Verhandlungen kommt es am 17. September 1978 zu einem "Rahmenabkommen über den Abschluss eines Friedensvertrages zwischen Ägypten und Israel". Der Kompromiss lautet: Land gegen Frieden. Ägypten bekommt den Sinai zurück, Israel wird im Gegenzug nicht mehr von seinem größten Nachbarn bedroht. Sadat und Begin erhalten dafür gemeinsam den Friedensnobelpreis. Während westliche Politiker, darunter Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), darauf positiv reagieren, lehnen die Ostblockstaaten und die PLO die Entscheidung des norwegischen Nobelpreiskomitees ab. Am 20. September 1978 treffen sich die Regierungschefs Algeriens, Syriens, Libyens und Jemens zusammen mit der PLO, um über Maßnahmen zur Bekämpfung der "Verschwörung gegen die arabische Nation" zu beraten.
Der Frieden zwischen den ehemaligen Kriegsparteien Israel und Ägypten hält zwar. Doch die Palästinenser-Frage bleibt ungelöst - und Sadat in der arabischen Welt isoliert. 1981 nimmt er eine Militärparade ab. Drei Attentäter, die mit einem Lastwagen die Tribüne passieren, eröffnen das Feuer. Sadat stirbt mit 62 Jahren. Begin wiederum lässt die jüdische Besiedelung der besetzten Gebiete weiter zu und schickt seine Armee in den Libanon, um die PLO zu zerschlagen. Das gelingt allerdings nicht. Bald darauf tritt Begin zurück. Er stirbt 1992 mit 78 Jahren.
Stand: 27.10.2013
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