Über zwei Milliarden Menschen - so wird geschätzt - stimmen an Heiligabend das gleiche Lied an: "Stille Nacht, heilige Nacht" wird weltweit in rund 350 Sprachen und Dialekten gesungen. Bereits Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. ist von der Melodie angetan und lässt 1854 nachforschen, woher sie stammt. In einem Brief wird beschrieben, wie das Lied entstanden ist: "Es war der 24. Dezember des Jahres 1818, als der damalige Hülfspriester Herr Joseph Mohr" aus Oberndorf bei Salzburg dem Organisten Franz Xaver Gruber ein von ihm 1816 geschriebenes Gedicht überreichte - "mit dem Ansuchen, eine hierauf passende Melodie für zwei Solo-Stimmen samt Chor und für eine Gitarren-Begleitung schreiben zu wollen."
Eine Legende erzählt, Hilfspriester und Organist hätten gemeinsam eine Messe zur Heiligen Nacht geplant. Dann aber sei in Oberndorf die Kirchenorgel kaputt gegangen. So habe ein neues Lied komponiert werden müssen - gesungen zur Gitarre. Dafür gibt es allerdings keine historischen Belege. Ungeklärt ist auch, weshalb Pfarrer Mohr erst am Heiligen Abend zum Dorfschullehrer Gruber gekommen ist, damit dieser unter Zeitdruck ein zwei Jahre altes Gedicht vertont.
Gitarrespielender Hilfspriester
Hilfspfarrer Joseph Franz Mohr wird 1792 in Salzburg geboren. Sein Vater, ein desertierter Soldat, lässt die Mutter mit dem Kind sitzen. Ein Salzburger Domvikar fördert den aufgeweckten Joseph Franz, finanziert das Gymnasium und später das Theologiestudium. Für seine Priesterweihe 1815 braucht Mohr eine päpstliche Sondererlaubnis - weil er unehelicher Herkunft ist.
Im September 1817 übernimmt er eine Stelle als Hilfspriester in Oberndorf und eckt rasch an. "Es schickt sich nicht zu geistlicher Art, burschenmäßig mit der langen Tabakspfeife über die Gasse zu gehen", beschwert sich ein Vorgesetzter. Ihm gefällt ebenfalls nicht, dass Mohr im Wirtshaus Gitarre spielt - "und nicht nur erbauliche Lieder!". Der Vorgesetzte bittet um das Konsistorium in Salzburg um Versetzung. Doch es geschieht zunächst nichts.
Vom Salzburger Land in die Welt
Mohr hat offenbar auch Freunde. Gut verstanden hat er sich mit seinem Organisten, dem Dorfschullehrer Franz Xaver Gruber aus Arnsdorf. Auch der Weberssohn kommt aus einfachen Verhältnissen. Er hat als 20-Jähriger die 33 Jahre alte Witwe seines Vorgängers geheiratet - vor allem um sich mit ihr die Wohnung teilen zu können. Pragmatisch ist Gruber auch, als ihm Mohr am 24. Dezember 1818 sein Gedicht vorlegt. Bis zum Abend soll die Komposition dazu fertig sein. Gruber macht sich ans Werk und noch am selben Tag erklingt in der Kirche St. Nicola im österreichischen Oberndorf zum ersten Mal das Lied "Stille Nacht, heilige Nacht".
Nur ein Jahr später wird Mohr tatsächlich versetzt. Das Lied des Hilfspfarrers wird in den 1820er Jahren von Tiroler Sängern aus dem Zillertal entdeckt. Von ihnen wird es in die Welt hinaus getragen: Sie nehmen es mit auf ihre Tourneen durch Europa, Russland und die USA. Mohr stirbt 1848, deshalb erreicht ihn 1854 die Anfrage von König Friedrich Wilhelm IV. nach dem Ursprung des Liedes nicht mehr. Gruber hingegen hat noch Gelegenheit, schriftlich zu antworten. Seinem Brief fügt er als Beleg für seine Ausführungen das Original der Komposition bei.
Stand: 24.12.2013
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