Deutschlands uneingeschränkter U-Boot-Krieg ab 1917 veranlasst die Vereinigten Staaten, ihre Neutralität aufzugeben und in den Weltkrieg einzutreten. Doch US-Präsident Woodrow Wilson hat sich weit mehr vorgenommen, als nur den Krieg zu beenden: Angesichts des Massenschlachtens in Europa ist der gottesfürchtige Südstaatler überzeugt von der Sehnsucht aller Menschen nach Frieden - und durchdrungen von der Vision, den Krieg an sich abzuschaffen.
In einer weltweit beachteten Parlamentsrede stellt Wilson im Januar 1918 sein 14-Punkte-Programm für eine gerechte Friedensordnung vor. Darin fordert er unter anderem radikale Rüstungsbeschränkungen, Selbstbestimmungsrecht für alle Nationen und die Gründung eines in der Historie beispiellosen Völkerbundes. Die Organisation soll Konflikte auf diplomatischer Ebene lösen und Aggressoren vereint entgegentreten.
Weltorganisation ohne die USA
Wie von Woodrow Wilson prophezeit, greift das ausgelaugte Europa die Vision des Völkerbundes euphorisch auf. Bei den alliierten Friedensverhandlungen in Versailles wird das 14-Punkte-Programm Bestandteil der Verträge und der Völkerbund somit beschlossen. Als schwerer Geburtsfehler erweist sich aber Wilsons Scheitern bei der Forderung nach fairen Bedingungen für alle, auch den Verlierer. Ein auferzwungener Frieden zu den Bedingungen des Siegers, sagt Wilson voraus, werde keinen Bestand haben. Vergebens: Frankreich und Großbritannien sind durch den Krieg derart hoch verschuldet, dass sie der jungen Weimarer Republik im Versailler Vertrag monströse Reparationszahlungen aufbürden.
Als sich die Delegierten des Völkerbundes am 16. Januar 1920 (anderen Quellen zufolge am 10. Januar) in Genf zur konstituierenden Sitzung versammeln, fehlt neben Kriegsverlierer Deutschland das dem Staatenbündnis nicht willkommene revolutionäre Sowjetrussland. Und ausgerechnet der Platz der USA bleibt leer. Präsident Wilson war es nicht gelungen, dem US-Kongress die nötige Mehrheit für den Völkerbund-Beitritt abzuringen. Die nun tonangebenden Mächte Frankreich und Großbritannien schwächen das Bündnis weiter, indem sie dem Völkerbund eine eigene Truppe und dem neuen Internationalen Gerichtshof in Den Haag wichtige Kompetenzen verweigern.
Ende als zahnloser Tiger
Trotz der Einschränkungen können die 32 Gründungsmitglieder des Völkerbundes in den ersten Jahren einige kleinere Konflikte diplomatisch befrieden. In Deutschland hat die Organisation durch den Versailler Knebelvertrag und Revanchegelüste gegenüber Frankreich einen schweren Stand. "Der Franzmann hat auf uns 'ne Wut. Er sagt, er meint es mit uns gut. Drum schickt er uns den Völkerbund. Na, so ein selten dämlicher H…", reimt der bekannte Couplet-Sänger Otto Rathke. Erst nach der Aufnahme Deutschlands 1926 gelingt es Frankreichs Außenminister Aristide Briant und seinem deutschen Kollegen Gustav Stresemann, eine Annäherung der verfeindeten Nachbarn anzubahnen.
Zwei Weltwirtschaftskonferenzen 1932 und 1933 markieren den Höhepunkt des Völkerbundes. Sie bleiben ohne Wirkung, "da die politische Konfrontation, zumal mit Nazi-Deutschland, schon viel zu weit gegangen war", erklärt der Kölner Historiker Jost Dülffer. Hitler hat den im "Schandvertrag von Versailles" verankerten Völkerbund stets bekämpft, noch Ende 1933 tritt er aus der verhassten "Genfer Schwatzbude" aus. Da auch Frankreich und Großbritannien lieber nationale Ziele verfolgen, verkommt der Völkerbund unter dem Druck sich zuspitzender Krisen zum zahnlosen Tiger. Als die Nazis dann 1939 den Zweiten Weltkrieg anzetteln, ist die Weltorganisation mit ihrer zentralen Aufgabe, der Friedenssicherung, endgültig gescheitert.
Stand: 16.01.2015
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