Offene Fragen nach Verhaftung
Warum wurde Carsten S. nicht überwacht?
Stand: 02.02.2012, 19:53 Uhr
Der mutmaßliche Unterstützer der rechtsextremistischen Zwickauer Terrorzelle, der am Mittwoch in Düsseldorf festgenommen wurde, war dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz offenbar lange Zeit nicht bekannt. Im Landtag gab es dazu am Donnerstag (02.02.2012) kritische Fragen.
Erst als die Taten des Trios aus Thüringen bekannt geworden waren, sei Carsten S. ins Visier der Verfassungsschützer geraten. Das erklärte die Chefin des Landesverfassungsschutzes, Mathilde Koller, am Donnerstag (02.02.2012) vor dem Innenausschuss des Landtags.
"Wir hätten ihn gekannt, wenn er in der rechten Szene aufgetaucht wäre", sagte Koller. Nach ihren Erkenntnisse habe Carsten S. aber nach seinem Umzug 2003 von Thüringen nach Nordrhein-Westfalen keinen Kontakt zur hiesigen rechtsextremen Szene unterhalten.
Antifa wusste von Vergangenheit
Nach seinem Umzug nach Düsseldorf wollte S. Schwulenreferent an der Fachhochschule werden. Nach eigener Aussage war er zu diesem Zeitpunkt aus der rechten Szene ausgestiegen. Nachdem eine Antifa-Gruppe 2004 auf seine Neonazi-Vergangenheit hingewiesen habe, hätten Studentenvertreter dies aber verhindert, berichtete der Allgemeine Studenten-Ausschuss (AStA) der FH am Donnerstag in Düsseldorf. S. habe sein Vorhaben daraufhin aufgegeben und seine Kandidatur zurückgezogen. "Sein damals formulierter Wunsch, ein neues Leben fernab der rechten Szene zu beginnen, wirkt auch im Nachhinein authentisch", so die Studentenvertreter.
NRW-Verfassungsschutz wurde nicht informiert
Warum der NRW-Verfassungsschutz nicht vom Verfassungsschutz aus Thüringen über den Umzug informiert worden war, konnte Mathilde Koller im Innenausschuss nicht sagen. Normalerweise informierten die Ämter einander, wenn bekannte Rechtsextremisten in ein anderes Bundesland umziehen. Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, S. habe in Jena an der Spitze des NPD-Kreisverbandes gestanden.
Die Zwickauer Terrorzelle wird von der Bundesanwaltschaft für neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie für den Mord an einer Polizistin in Heilbronn verantwortlich gemacht. Mit der Verhaftung von S. befinden sich jetzt bereits fünf mutmaßliche Unterstützer der Terrorgruppe in Untersuchungshaft. Insgesamt gibt es in dem Fall mittlerweile 13 Beschuldigte. Gegen mehrere weitere wird ermittelt.
Unmut über unzureichende Zusammenarbeit
Festnahme in Düsseldorf
Die Abgeordneten im Innenausschuss waren mit den Aussagen nicht zufrieden. Anna Conrads von der Linken bezweifelte, dass Carsten S. dem Verfassungsschutz nicht bekannt war, zumal sein rechtsextremistischer Hintergrund in der antifaschistischen Szene bekannt gewesen sei. "Warum wird er bei seinem Umzug nicht automatisch überwacht?", fragte auch der SPD-Abgeordnete Hans-Willi Körfges. Im System der Inneren Sicherheit laufe etwas nicht zusammen.
Carsten S. hat "umfangreich ausgesagt"
Neue Erkenntnisse zu den Hintergründen der Festnahme wurden im Ausschuss nicht mitgeteilt. Der Abteilungsleiter der Polizei im Innenministerium, Wolfgang Düren, sagte, das Verfahren liege beim Generalbundesanwalt. Der Kreis der Eingeweihten werde zurecht klein gehalten. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft sagte am Donnerstag: "Carsten S. hat gestern vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs umfangreich ausgesagt." Details nannte auch sie nicht.
Carsten S. wird beschuldigt, im Jahr 2001 oder 2002 in Jena eine Waffe und Munition gekauft zu haben, die über Mittelsmänner zu den untergetauchten Terroristen gebracht wurden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zu sechs Morden und einem Mordversuch vor.