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Nach Anschlägen: Spielt für Demo-Teilnehmer Angst eine Rolle?
Stand: 15.02.2025, 20:37 Uhr
Anschläge auf Menschenmengen beeinflussen das Sicherheitsgefühl, sagt ein Psychologe. Gleichzeitig finden viele Demos in NRW statt. Wer der Angst trotzt und wie man mit ihr umgehen kann.
Von Catharina Coblenz
Erst vor wenigen Wochen wurden sechs Menschen bei einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg getötet, etwa 200 wurden verletzt. Vor wenigen Tagen dann der Anschlag in München, bei dem der Täter mit einem Auto in einen Demonstrationszug gefahren ist. 39 Menschen wurden verletzt, ein zweijähriges Kind und seine Mutter starben.
Dennoch finden sich bis zu zehntausende Menschen weiter vielerorts zu Demonstrationen zusammen, auch in NRW. Doch mit welchem Gefühl gehen die Menschen auf die Straße? Haben sie Angst vor einem möglichen Attentat? Und wenn ja, was kann man gegen die Angst machen?
Demo-Teilnehmer trotzen Angst
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Anke auf der Demo in Düsseldorf
Anke nimmt in Düsseldorf an einer Demo teil. Auf die Frage, ob sie sich Sorgen machen würde oder Angst habe, an einer solchen Großveranstaltung teilzunehmen, antwortet sie: "Überhaupt nicht!"
"Das ist für mich gerade ein Grund, hier auf die Straße zu gehen. Kein Hinderungsgrund auf jeden Fall!" Anke, Demonstrantin
Sie räumt ein, dass sie natürlich wisse, dass so etwas passieren könnte. Sie halte es jedoch für unwahrscheinlich. "Das passiert zwar, aber deshalb nicht mehr auf die Straße zu gehen ist absolut die falsche Konsequenz", sagt sie, "weil das wollen die Leute ja, die das initiieren, die wollen einem Angst machen."
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Christian (links) und Pia (Mitte) auf der Demo in Düsseldorf
Diese Ansicht teilt auch Christian, der ebenfalls in Düsseldorf demonstrierte. Er glaubt, dass man "immer noch relativ sicher ist". Außerdem hätten die Attentäter ihr Ziel erreicht, wenn man sich unterkriegen ließe. - "Also, dass man nicht mehr rausgeht und sich ängstlich zurückzieht."
Auch Pia nahm an der Demo teil. Sie habe sich keine Sorgen gemacht, sagt sie. Aber sie habe sich Gedanken gemacht, dass so etwas passieren könnte. "Trotzdem fühl ich mich hier immer noch sehr sicher und das würde mich nie abschrecken, auf die Straße zu gehen für meine Rechte".
Psychologe beobachtet "Lernprozess"
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Dr. Christian Lüdke, Psychologe
Christian Lüdke ist Psychologe und war Teil des Krisenstabs beim Anschlag in Magdeburg. Er hat schon mit vielen Menschen gesprochen, die Zeugen eines Anschlags wurden. Lüdke geht davon aus, dass solche Anschläge nicht spurlos an den Menschen vorübergehen. Wie bei allen Ereignissen, bei denen viele Menschen gleichzeitig ums Leben kommen oder verletzt werden, erschüttere ein solcher Anschlag das Sicherheitsgefühl.
Er meint, dass das grundlegende Sicherheitsgefühl bereits vor Jahren durch andere Anschläge erschüttert worden sei. Daher seien solche Ereignisse inzwischen "traurige Realität" geworden - "Ein Lernprozess, den die Menschen inzwischen durchgemacht haben."
Mittel gegen die Angst
Lüdke empfiehlt regelmäßig nach Entspannung und Zerstreuung zu suchen: Rausgehen, Sport treiben, Freunde treffen - auch Gespräche mit vertrauten Menschen können helfen, um mit der Angst umzugehen. Gerade den Austausch mit anderen Menschen hält Lüdke für wichtig: "Wir sind Herdentiere, wir brauchen andere Menschen. Das gibt uns Sicherheit." Er rät dazu, seinen Alltag weiter zu leben, trotz Verunsicherung.
"Wir dürfen uns nicht völlig in Panik versetzen. Auf keinen Fall." Dr. Christian Lüdke, Psychologe
Wer sich über ein Ereignis, wie einen Anschlag, informieren will, solle das trotz Angst-Empfinden tun. Wichtig sei jedoch, sich nicht allem auszusetzen. Lüdke rät, die Berichterstattung nicht permanent zu verfolgen. Die Flut von Informationen und Bildern, der man über Medien und sozialen Netzwerken ausgesetzt sei, könne Menschen schnell emotionalisieren.
Trotz Angst: Normalität versuchen
Menschen mit Vortraumatisierungen seien, laut Psychologe Lüdke, besonders anfällig für Angst-Gefühle. Traumata entstehen zum Beispiel durch sehr einschneidende Lebensereignisse, wie zum Beispiel ein Autounfall oder der Verlust eines geliebten Menschen.
Durch diese, manchmal auch lange zurückliegenden, Traumata, sei das Sicherheitsgefühl dieser Menschen bereits beeinträchtigt. Dann reiche schon ein kleines Ereignis aus, um alte Erinnerungen wieder lebendig werden zu lassen. Diesen Menschen rät Lüdke, Situationen zu meiden, in denen sie sich unsicher fühlen.
Auf Menschenansammlungen vorbereiten
Wer Angst hat, aber trotzdem auf eine Veranstaltung oder auf eine Demonstration gehen will, dem könne es helfen, sich auf die Situation vorzubereiten, sagt Lüdke. Man müsse sich beispielsweise nicht direkt in die Menge stellen, sondern könne sich auch am Rand aufhalten, wo sich gute Fluchtmöglichkeiten bieten. Auch rät er im Voraus die Demo-Strecke anzuschauen. Zum Beispiel könne man Nebenstraßen identifizieren, die als Fluchtwege dienen können. Das könne einem ein Gefühl von Sicherheit geben: "Wenn da irgendwas ist, kann ich immer noch reagieren und bin nicht ausgeliefert.", so Lüdke.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporterinnen vor Ort
- Interview mit Dr. Christian Lüdke