In 19 Tagen wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Nach aktuellen Umfragen müsste die SPD täglich 0,79 Prozentpunkte zulegen, um mit der Union gleichzuziehen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat seine eigene Rechnung im Kopf. "Wir zur Hälfte rauf, die CDU zur Hälfte runter - schon bin ich vorne."
Mit dieser Zuversicht traf sich Scholz am Dienstag mit den Moderierenden des WDR-Newspodcasts 0630, Carolin Bredendiek und Robert Meyer im Nordsternpark in Gelsenkirchen - mitten im Ruhrgebiet und passend dazu an einem Foodtruck.
Für die Reihe "Auf einen Döner mit ..." hat der WDR alle Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Nach Heidi Reichinnek (Linke), Sahra Wagenknecht (BSW), Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) war nun Olaf Scholz (SPD) an der Reihe.
Im Zentrum des Interviews standen wie auch zuvor die Bereiche Wirtschaft, Migration und Krieg und Frieden. Drei Themenkomplexe, die laut dem ARD-Deutschlandtrend die Wählerinnen und Wähler am meisten beschäftigen.
Wirtschaft: Senkung der Mehrwertsteuer und ein gerechteres Steuersystem
Am Foodtruck bestellte Scholz einen "Fleisch-Döner" mit scharfer Soße - und war damit der einzige der bisher interviewten Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten, der nicht auf eine vegetarische Variante zurückgriff. Der Bundeskanzler hatte in jedem Fall Hunger mitgebracht und widmete sich während des Gesprächs immer wieder seinem Döner, den er "sehr gut und empfehlenswert" fand.
Schnell wanderte das Gespräch aber vom Döner zu den hohen Lebensmittelpreisen in Deutschland. "Es gibt in Deutschland keine gesetzlichen Preise" und das sei auch gut so, betonte der 66-Jährige. Aber "wir können etwas dafür tun, dass die Preise nicht durch die Decke gehen." So plädiert Scholz dafür, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent zu senken, um die Menschen in Deutschland zu entlasten.
"Gerade wenn man wenig Geld hat und jeden Tag einkaufen muss", könne das schon einen großen Unterschied machen. Was Scholz jedoch vor allem im Gespräch betonte, war, dass die Mitte der Gesellschaft entlastet werden müsse.
Analog zum SPD-Wahlprogramm sprach sich Scholz dafür aus, dass Besserverdienende - so wie er selbst - höhere Steuern zahlen sollten, damit "alle anderen mehr netto haben". In ihrem Wahlprogramm fordert die SPD außerdem die Erhöhung des Mindestlohns, eine Reformierung der Schuldenbremse sowie die Beibehaltung des Rentenniveaus und des Renteneintrittsalters. Zu diesen Themen äußerte sich Olaf Scholz im WDR-Interview nicht.
Migration: Weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan geplant
Bei der zurzeit heftig diskutierten Migrationspolitik verwies Scholz auf die Erfolge seiner Regierung in den vergangenen Jahren. So habe er gegen viele Widerstände durchgesetzt, dass "wir sowohl die Zahl derjenigen, die irregulär nach Deutschland kommen, um ein Drittel reduziert haben", als auch "die Zahl der Rückführungen um 20 Prozent erhöht haben." Zudem habe er Grenzkontrollen an allen deutschen Außengrenzen eingeführt und es durch viele Gesetzesregelungen leichter gemacht, dass Menschen abgeschoben werden können.
Dass seine Erfolge in der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden, könne er nicht verstehen. "Alle, die sagen, es ist nichts getan worden, sagen nicht die Wahrheit." Deutschland sei es beispielsweise als einziges Land gelungen, einen Abschiebeflug nach Afghanistan zu organisieren, seitdem die Taliban dort die Macht übernommen haben.
"Das war eine große diplomatische Aktion, wo wir mit mehreren befreundeten Regierungen zusammengearbeitet haben." Scholz kündigte zudem an, dass es in nächster Zeit noch "weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan" geben würde. Ob das noch vor der Bundestagswahl geschehen würde, verriet er "aus Gründen" nicht.
Scholz betonte jedoch auch, dass Straftäter zwar konsequent abgeschoben werden sollen, er aber nicht zulassen werde, "dass über diejenigen schlecht geredet wird, die in diesem Land eine familiäre Einwanderungsgeschichte haben."
Und es wäre auch nicht möglich, den Wohlstand zu sichern, wenn das in Zukunft nicht weiter passiere. Auch in ihrem Wahlprogramm setzt die SPD auf die Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland, um die Sozialsysteme zu stabilisieren. Dafür sollen auch Geflüchtete Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.
Krieg und Frieden: Keine Marschflugkörper für die Ukraine
Angesprochen auf sein Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im November erklärt Scholz, dass es da keinen "Small Talk" gegeben habe, sondern das ein "ernstes" Gespräch gewesen sei. "Putin hat den Tod von unglaublich vielen Menschen in der Ukraine zu verantworten." Deshalb habe sich Scholz dafür eingesetzt, dass die Ukraine nicht alleine gelassen wird und Deutschland der größte Unterstützer in Europa geworden sei. "Und das wird auch in Zukunft so bleiben."
Dennoch blieb Scholz dabei, keine Marschflugkörper an die Ukraine liefern zu wollen.
Als Bundeskanzler habe er auch die Verantwortung dafür, "dass dieser furchtbare Krieg nicht eskaliert zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO." Mit der Argumentation keine "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern, folgt Scholz somit in seiner Argumentation dem SPD-Wahlprogramm.
Auch wiederholte Scholz seine Aussagen, dass Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, Deutschland in einen Krieg ziehe und das er der einzige sei, der das verhindern könne. Dass Merz drohe, die Marschflugkörper zu liefern, "wenn Russland nicht macht, was er für richtig hält", sei eine "völlig unangemessene, gefährliche und der Verantwortung für Deutschland nicht gerecht werdende Haltung".
Das komplette Interview zum Nachhören gibt es hier im WDR-Newspodcast 0630:
Unsere Quellen:
- Interview mit Olaf Scholz (SPD)
- SPD-Wahlprogramm
- Tagesschau-Artikel zum ARD-Deutschlandtrend
Über dieses Thema berichtet der WDR am 05.02.2025 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.