FLächengrafik mit Aufschrift "10 Billionen" vor einem Hintergrund aus gerollten Geldscheinen

Faktencheck: Was Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer bringen könnten

Stand: 12.02.2025, 16:00 Uhr

Marode Autobahnbrücken, unterfinanzierte Schulen, schleppende Digitalisierung: Der Investitionsstau in Deutschland ist groß. Könnte eine Vermögenssteuer fehlendes Geld bereitstellen? Oder würde sie langfristig der Wirtschaft schaden? Und was ist eigentlich mit der Erbschaftssteuer? Ein Faktencheck.

Von Johannes Kolb

Tatsächlich gibt es schon eine Vermögenssteuer in Deutschland. Sie ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber seit 1997 ausgesetzt. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist dafür, sie wieder einzuführen. Das zeigt eine repräsentative Forsa-Umfrage aus dem Juli 2024.

62 Prozent der Teilnehmenden haben angegeben, dass Vermögen ab einer Million Euro mit einer gesonderten Steuer belegt werden sollen. Mit Ausnahme der FDP- und AfD-Wähler sind die Anhänger aller relevanten Parteien für eine solche Vermögenssteuer – auch die von CDU und CSU. 

Die breite Zustimmung lässt sich womöglich dadurch erklären, dass die meisten nicht betroffen wären. Getreu dem Motto: Mehr Geld für die Staatskasse? Keine zusätzliche Belastung für mich als Normalverdiener? Her damit! Sollen "die da oben" mal ein bisschen was von ihrem vielen Geld abgeben! 

Doch wie sehr würde eine solche Steuer tatsächlich die Staatsfinanzen aufbessern? Wer wäre davon betroffen? Und würde das langfristig zu Steuerflucht und Jobverlusten führen, wie das beispielsweise Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) prognostiziert? 

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Wie sind das Vermögen und die Steuerleistung aktuell verteilt? 

In Deutschland sind die Vermögen vergleichsweise ungleich verteilt. Das zeigt der sogenannte Gini-Koeffizient. In einer Gesellschaft, in der alle gleich viel haben, würde dieser Wert bei 0 liegen. Besäße eine Person alles und der Rest nichts, läge er bei 1. 

In Deutschland beträgt der Gini-Koeffizient in Bezug auf das Vermögen 0,77, was rund fünf Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt liegt. Eine Studie der Boston Consulting Group nennt die Vermögensverteilung in Deutschland "überdurchschnittlich ungleich." 

Das deutsche Steuersystem basiert auf dem Prinzip, dass diejenigen, die mehr leisten können, auch mehr zahlen müssen. In absoluten Zahlen funktioniert das auch. Die wohlhabenderen Deutschen tragen überproportional viel zum Gesamtsteueraufkommen bei. 

Stefan Bach vom DIW

Stefan Bach vom DIW

Superreiche Menschen haben allerdings die Ressourcen, um sehr effektiv ihren Steuersatz zu reduzieren, sagt Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin. "Ab zehn, 15 Millionen sind Sie richtig reich. Da haben Sie meistens größere Portfolios, da lohnt sich dann schon ein bisschen 'Gestaltung' wie zum Beispiel ein 'Family Office'. Da kommen dann die Tricks. Das kostet natürlich unendlich Geld für Steuerberater, Unternehmensberater und Planung."

Trotzdem scheint sich das zu lohnen. Denn der Grundsatz: "Wer mehr hat, zahlt auch mehr Steuern", gilt zwar für den Großteil der Bevölkerung, aber de facto nicht für Superreiche.

Welche Modelle für eine Vermögenssteuer stellen sich die Parteien vor? 

CDU/CSU, FDP und AfD sind gegen eine Vermögenssteuer. Die AfD will zusätzlich auch die Erbschaftssteuer abschaffen.  

SPD, die Grünen, die Linken und das BSW sind für eine Vermögenssteuer, haben aber sehr unterschiedliche Vorstellungen für deren Ausgestaltung. Den Vorschlägen der linksgerichteten Parteien ist gemeinsam, dass eine neue Vermögenssteuer frühestens ab einer Million Euro "Nettovermögen" beginnen sollte.

Es wären also Menschen betroffen, die abzüglich aller Schulden auf ihrem Konto, in Immobilien, Investments oder Wertgegenständen mindestens eine Million Euro haben. 

  • SPD: In ihrem Wahlprogramm kündigt die SPD an, die ausgesetzte Vermögenssteuer wieder für "sehr hohe Vermögen" zu revitalisieren. Was damit konkret gemeint ist, bleibt unklar. Darüber hinaus kündigt die SPD an, sich für die im Rahmen der G 20 vorgeschlagene globale Mindeststeuer für Superreiche einzusetzen, Kapitaleinkommen über den Einkommenssteuertarif zu besteuern und die Erbschafts- und Schenkungssteuer zu reformieren, um die "übermäßige Privilegierung großer Unternehmensvermögen" abzuschaffen.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Im Wahlprogramm kündigen die Grünen an, dass sie die Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer für "außerordentlich große" Erbschaften angehen und "offenkundige Gerechtigkeitslücken im Steuersystem" schließen wollen. Als Beispiel dafür werden Share Deals bei der Immobilienbesteuerung genannt. Außerdem sind die Grünen für eine globale Milliardärssteuer, sowie dafür, Kapitaleinkünfte wie Arbeitseinkommen zu besteuern. Konkrete Freibeträge oder Steuersätze stehen nicht im Wahlprogramm.
  • Die Linke: Die Linke fordert die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die die reichsten 2,5 Prozent der Gesellschaft belasten soll. Im Wahlprogramm nennt die Linke für dieses Ziel konkrete Zahlen: 1 Prozent Steuersatz für Nettovermögen oberhalb von einer Million Euro. Ab 50 Mio. Euro Nettovermögen sollen 5 Prozent Vermögenssteuer gelten, ab einer Milliarde 12 Prozent. Der Freibetrag für Betriebsvermögen soll bei 5 Mio. Euro liegen.
  • Bündnis Sahra Wagenknecht: Das BSW will Vermögen ab 25 Millionen Euro mit 1 Prozent besteuern, Vermögen ab 100 Mio. Euro mit 2 Prozent und Vermögen ab einer Milliarde Euro mit 3 Prozent. Darüber hinaus will das BSW Steuerschlupflöcher schließen, indem zum Beispiel Share Deals zur Rückerstattung der Grunderwerbssteuer unmöglich gemacht werden.

Die Familie im geerbten Eigenheim oder doch nur den Megayacht-Besitzer: Wen sollte eine Vermögenssteuer betreffen? 

Ab wann ist man eigentlich vermögend? Sobald man im Supermarkt nicht mehr auf die Preise achten muss? Wenn man sich ein Haus kaufen kann, ohne einen Kredit abzustottern? Oder doch erst, wenn man von den Zinsen des eigenen Vermögens leben kann, nie mehr arbeiten muss und sich jeden erdenklichen Luxus leisten kann?  

Als die Vermögenssteuer 1996 zum letzten Mal in Deutschland eingezogen wurde, galt noch ein Freibetrag von 120.000 DM pro Person. Der Deutschen Bundesbank zufolge entspricht das kaufkraftbereinigt heute ungefähr 100.000 Euro.

Damit gehört man heute zwar zu der wohlhabenderen Hälfte der Gesellschaft – gilt aber sicher nicht als besonders vermögend oder gar als reich. Eine neu eingeführte Vermögenssteuer dürfte also einen deutlich höheren Freibetrag ansetzen. 

In der Forsa-Umfrage vom Juli 2024 war eine Mehrheit dafür, eine Vermögenssteuer mit einem Freibetrag von einer Million Euro Nettovermögen wieder einzuführen. Doch wie viele Menschen gibt es überhaupt in Deutschland, auf die das zutrifft? Das Global Wealth Databook der UBS-Bank zeigt: gar nicht so wenige. 

Das Global Wealth Databook basiert auf US-Dollar. Da ein Euro etwas mehr wert ist, als ein Dollar (seit 2023 lag der Wechselkurs immer ungefähr zwischen 1,05 bis 1,12 Dollar pro Euro), dürften die Zahlen in Euro etwas niedriger sein. Trotzdem zeigt die Studie: Je nachdem, wo die Grenze für eine Vermögenssteuer gezogen würde, könnten mehr als eine Million Menschen von ihr betroffen sein. 

Stefan Bach, Steuerexperte des DIW Berlin, plädiert dafür, den Freibetrag für eine Vermögenssteuer nicht zu niedrig anzusetzen, um nicht die falschen zu treffen: Mittelständler, zum Beispiel eine Tankstelle oder ein größerer Handwerksbetrieb, arbeiteten häufig mit Eigenkapital, weil sie keine Kredite von der Bank kriegten, so Bach.

"Bei einer Grenze von einer Million wären wir da relativ schnell dabei. Auch fünf Millionen sind schnell erreicht bei einem etwas größeren Betrieb. Wenn jemand erfolgreich ein Unternehmen aufbaut, macht er ja auch etwas fürs Gemeinwohl."

Während Leute ihr Vermögen aufbauen und bewirtschaften, muss man nicht noch einmal zusätzlich mit der Vermögenssteuer reinfunken. DIW-Experte Stefan Bach

Bach schlägt daher eine Freigrenze von 20 Millionen Euro Nettovermögen vor. "Da haben wir nur noch relativ wenige Steuerpflichtige, etwa 10.000 bis 20.000, da lohnt sich das Ganze dann auch. Denn wir müssen das ja laufend erfassen und neu bewerten."

Bei einer so hohen Schwelle würde der klassische Mittelstand außen vorgelassen, man könne sich Ausnahmeregelungen sparen und ökonomische Verzerrungseffekte fielen weg. Bei 20 Millionen Euro aufwärts wäre nur noch eine kleine Gruppe von Menschen betroffen, dennoch könnte eine Vermögenssteuer für diesen exklusiven Personenkreis ein Milliardenaufkommen generieren, so Stefan Bach. 

Wie viel Geld könnte eine Vermögenssteuer einbringen? 

Im Vergleich zu anderen Steuern scheint die Berechnung der Vermögenssteuer komplizierter zu sein. Für die Einkommenssteuer beispielsweise gibt es mit dem Bruttogehalt eine eindeutige Basis.

Bei der Bewertung von Vermögen müssen aber nicht nur vergleichsweise leicht zu erfassende Posten wie z.B. Aktien-Portfolios, sondern auch der Wert von Immobilien, Kunstgegenständen oder Schmuck berücksichtigt werden. Dafür braucht es im Zweifel aufwendige und teure Gutachten. 

Ex-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte im Sommer 2024 auf X geschrieben, dass der komplexe Bewertungsaufwand die Erträge einer Vermögenssteuer vollständig auffressen würde. Sie sei daher nur als "abstraktes Konzept" eine beliebte Idee. 

Marco Buschmann gestikuliert bei einer Rede

Ex-Justizminister Marco Buschmann

"In der Praxis frisst der komplexe Bewertungsaufwand (Was ist ein Gemälde wert? Und was die vererbte Vase?) die Erträge daraus auf. Daher haben viele Länder, die sie einmal eingeführt haben, wieder abgeschafft", schreibt Buschmann weiter.

Buschmann erntete dafür viel Kritik, User kommentierten beispielsweise: "Vermögen bei Reichen festzustellen, ist unmöglich. Weil zu aufwändig. Cents zählen bei Bedürftigen lohnt sich richtig, da ist jeder Aufwand gerechtfertigt", oder in Bezug auf die Bewertung von Kunst- oder Wertgegenständen: "Wie schaffen es Versicherungen, rechtssicher die Werte all dieser Dinge zu bestimmen?"

Auch Stefan Bach, Steuerexperte des DIW Berlin, widerspricht Buschmanns These: "Das ist ein alter Steuer-Mythos, der schon bei der alten Vermögensteuer nicht stimmte. Der geschätzte Verwaltungsaufwand liegt je nach Ausgestaltung bei 3 bis 8 Prozent der Einnahmen. Das ist ungefähr dieselbe Größenordnung wie bei der Einkommens- oder Körperschaftsteuer." Zusätzlich würde der Aufwand kleiner, je kleiner der betroffene Personenkreis wäre.  

"Maximal zehn bis 15 Milliarden Euro durch eine Vermögenssteuer selbst erscheinen einigermaßen realistisch", sagt Stefan Bach vom DIW. 

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit und Oxfam haben durchgerechnet, wie viel Geld der deutsche Staat eingenommen hätte, wenn die Vermögenssteuer nicht ausgesetzt worden wäre. Im Ergebnis kommt die Studie für den Gesamtzeitraum von 1997 bis 2023 auf die Gesamtsumme von 387 Milliarden Euro. 

Vergleicht man diese Summe mit den tatsächlichen Steuereinnahmen im selben Zeitraum, zeigt sich, dass die Vermögenssteuer etwa 2,4 Prozent der Gesamteinnahmen betragen hätte. Damit hätte sie der Rechnung des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam zufolge mehr eingebracht als beispielsweise die Kraftfahrzeugsteuer (ca. 1,16 Prozent der Steuereinnahmen), die Tabaksteuer (ca. 1,8 Prozent) oder die Summe aller Einnahmen durch Zölle (ca. 0,67 Prozent).  

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sowie das ifo-Institut haben verschiedene Varianten einer Vermögenssteuer mit Sätzen zwischen 0,4 Prozent und 1,2 Prozent modelliert. Bei einem angenommenen Freibetrag von einer Million Euro für Alleinstehende und 2 Millionen Euro für Ehepaare könnten über eine solche Steuer der Berechnung zufolge kurzfristig bis zu 26,63 Milliarden Euro eingenommen werden.

Allerdings warnt die Studie davor, dass eine Vermögenssteuer langfristig das Bruttoinlandsprodukt und damit auch die Gesamtsteuereinnahmen stärker senken würde als durch sie eingenommen werden könnte. 

Der Grund: Der mit Abstand größte Teil des Vermögens der reichsten Deutschen steckt in Betrieben. Würde ein Teil dieses Vermögens durch die Vermögenssteuer abfließen, müssten den Forschern zufolge Investitionen eingespart werden – was sich direkt auf die Wirtschaftsstärke und damit auf Arbeitsplätze auswirken würde. 

Würde eine Vermögenssteuer Wirtschaftswachstum, Wohlstand und langfristig Jobs kosten? 

2013 hatte die Regierung von Frankreichs Präsident François Hollande eine Reichensteuer eingeführt. Wer mehr als eine Million Euro im Jahr verdiente, musste 75 Prozent Steuern auf das Einkommen zahlen. Zusätzlich hatten Hollandes Sozialisten eine Vermögenssteuer eingeführt, die die Gesamtsteuerlast der reichsten Franzosen kurzzeitig um bis zu 143 Prozent erhöhte. 

Die Folge: Die Zahl der Steuerflüchtlinge verdreifachte sich binnen kurzer Zeit, wie Daten des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums zeigten. Vor allem grenznahe belgische Gemeinden wie Estaimpuis profitierten vom Reichen-Exodus aus Frankreich.

Gerard Dépardieu gestikuliert

Gerard Dépardieu

Zum Beispiel Schauspieler Gérard Dépardieu wollte sich dort niederlassen, um der französischen Vermögenssteuer zu entgehen. Zeitungen betitelten die Kontroverse um den Obelix-Darsteller mit "Dépardieu spielt den Steuerflüchtlix".

Bernard Arnault

Bernard Arnault

Auch Bernard Arnault, Hauptanteilseigner von LVMH und einer der reichsten Menschen der Welt, hatte nach der Einführung der Reichen- und Vermögenssteuer laut darüber nachgedacht, seinen Wohnsitz nach Belgien zu verlegen.

Schließlich strich Hollande 2015 nach nur zwei Jahren die Reichensteuer wieder. 2017 schwächte Emmanuel Macron auch die Vermögenssteuer ab, seitdem bezieht sie sich nur noch auf Immobilienbesitz. 

Auch in Deutschland bestehe eine reale Gefahr, dass Superreiche sich einer neuen Vermögenssteuer entziehen würden, sagt Professor Christoph Spengel, Ökonom an der Universität Mannheim. Er beschreibt im WDR-Interview, wie Reiche es schaffen würden, zum Beispiel den Wert ihrer Immobilien in Deutschland kleinzurechnen.

Christoph Spengel

Christoph Spengel

"Ich kaufe mir eine teure Immobilie und finanziere den Erwerb über ein Darlehen aus dem Ausland. Der Gläubiger im Ausland hat dann ein hohes Vermögen, eine hohe Forderung. Mein Nettovermögen in Deutschland ist aber bei null, weil die Immobilie ja mit Schulden belastet ist.”  

Damit das funktioniere, brauche man lediglich Tochterfirmen oder ähnliche Konstrukte im Ausland: "Der Gläubiger kann eine Niederlassung von mir selbst sein. Weil wir aber sagen: 'Im Ausland gelegenes Vermögen ist in Deutschland von der Vermögenssteuer befreit', ist das aktuell ein legitimes Gestaltungspotenzial. Um das zu vermeiden, müsste man das Fass richtig groß aufmachen - und das ist aufwändig. Es hindert den Gesetzgeber aber niemand daran, das zu tun.

Auch Stefan Bach vom DIW teilt die Einschätzung, dass eine Vermögenssteuer ein grundsätzliches Risiko birgt: "Wir müssen vermeiden, dass man Leute demotiviert, in Deutschland zu investieren oder unternehmerisch tätig zu werden. Das ist bei den traditionellen Konzepten im nationalen Alleingang immer tendenziell das Problem."

Daher sieht er eine mögliche Lösung in einer globalen Mindeststeuer für Milliardäre und Menschen mit mehr als 100 Mio. US-Dollar, wie sie Brasiliens Präsident Lula beim G20-Gipfel vorgeschlagen hatte. "Die Weichen sind in die richtige Richtung gestellt. Wenn Deutschland und die USA eine Kooperation finden, machen die restlichen G20 mit - China und Russland einmal außen vorgelassen."

Mit der neuen US-Regierung ist das eher unwahrscheinlicher geworden. Auch eine vermutlich unionsgeführte Bundesregierung dürfte eine globale Reichensteuer wohl kaum unterstützen. Schon jetzt könnte Deutschland aber ein System schaffen, dass Superreiche stärker in die Pflicht nähme, ohne damit Arbeitsplätze zu gefährden, sagt Stefan Bach.

"Ein ausgewogener Mix aus Erbschaftssteuer, Superreichen-Vermögenssteuer, Kapitalertragssteuer für Immobilien und höheren Spitzensteuersätzen: Damit wäre man auch im nationalen Alleingang in der Lage, bis zu einem Prozent des BIPs, also gut 40 Milliarden Euro im Jahr an Mehreinnahmen zu erzielen. Und zwar ohne, dass damit - jedenfalls aus wissenschaftlicher Sicht - größere Probleme für den Wirtschaftsstandort entstehen. Im Gegenteil: Investitionen und Steuer- und Abgabensenkungen für das 'gemeine Volk' würden positive wirtschaftliche Auswirkungen auslösen."

Ist die bestehende Erbschaftssteuer nicht schon de facto eine Vermögenssteuer? 

Abzüglich von Freibeträgen gilt für Erbschaften oder Schenkungen ein Steuersatz zwischen 7 Prozent und bis zu 50 Prozent, abhängig vom Wert des Erbes und der persönlichen Steuerklasse. Der Steuersatz wird immer höher, je wertvoller das Erbe ist. Ab einem Wert von 26 Mio. Euro wird der Höchstsatz fällig. Auf den ersten Blick müssten reiche Menschen also deutlich mehr zahlen, als Menschen, die vergleichsweise wenig erben. 

In der Praxis zahlt wegen hoher Freibeträge, diverser Regeln zur Befreiung und Möglichkeiten zur Steuergestaltung aber kaum jemand den vollen Satz - erst recht nicht Superreiche. "Die Steuerberater bezeichnen die Erbschaftssteuer immer als eine 'Dummensteuer', die von den 'armen Reichen' gezahlt wird, also denen, die ein Vermögen von vielleicht ein, zwei Millionen Euro haben und nicht so gut beraten sind oder gut planen. Die laufen dann schon einmal in Erbschaftssteuern rein", sagt Stefan Bach vom DIW. 

Steuerberater bezeichnen die Erbschaftssteuer immer als eine 'Dummensteuer'. Ökonom Stefan Bach

Laut Subventionsbericht des Bundesfinanzministeriums sind die Vergünstigungen von Betriebsvermögen im Erb- oder Schenkungsfall die insgesamt größte Steuervergünstigung in Deutschland - von der hauptsächlich der reichste Teil der Bevölkerung profitiert.  

Die vielen Schlupflöcher in der Erbschafts- und Schenkungssteuer - insbesondere in Bezug auf Betriebsvermögen - sorgen dafür, dass sie vergleichsweise wenig einbringt.

Der effektive Steuersatz, also die tatsächlich gezahlten Steuern auf Erbschaften und Schenkungen, lagen 2022 nach Angaben des Netzwerks Steuergerechtigkeit zwischen ungefähr 2,3 und 3 Prozent. In 26 Fällen von extrem großem Vermögen betrug der effektive Steuersatz im Jahr 2023 sogar nur 0,1 Prozent.  

Obwohl zwischen rund 300 und 400 Milliarden Euro jährlich vererbt oder verschenkt werden, betrugen die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer 2023 daher nur rund 9,3 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Die Tabaksteuer alleine hat mit etwa 14 Mrd. Euro deutlich mehr eingebracht.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert Deutschland auch wegen der Gestaltung der Erbschaftssteuer als ein Land, das Arbeitseinkommen sehr hoch, Vermögen dagegen besonders niedrig besteuere und so die Ungleichheit fördere. 

Wie könnte die Erbschaftssteuer für mehr Gerechtigkeit bei der Vermögensverteilung sorgen? 

"Wir wissen für Deutschland, dass rund 80 Prozent des vorhandenen Vermögens auf Erbschaften und Schenkungen zurückzuführen ist", sagt Christoph Spengel. Die Erbschaftssteuer hat also das Potential, deutlich mehr Geld als momentan einzubringen.  

Zumal sie einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zu einer Vermögenssteuer hat, sagt Christoph Spengel: "Der Erbschaftssteuer kann man nicht so einfach durch eine Vermögensverlagerung ins Ausland ausweichen."

Der Grund dafür: "Die Erbschaftssteuer ist nur in sechs von rund 80 deutschen Steuerabkommen enthalten. Das heißt: Wenn ein Erbfall oder eine Schenkung in Deutschland stattfindet, dann wird immer das weltweite Vermögen einbezogen."

Allerdings bestehen die größten Vermögen in Deutschland fast ausschließlich aus Betriebsvermögen, also aus Geld, das direkt in Unternehmen steckt. Mit diesem Kapital werden Investitionen und damit indirekt Jobs und letztlich die Gehälter von Millionen von Arbeitnehmern bezahlt. 

In einer Bundestagsdebatte Ende 2023 bezeichnete Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) einen Antrag der Linken-Fraktion, der die Streichung von Ausnahmeregelungen bei der Erbschaftssteuer vorsah, daher als "das Ende unserer weltweit bewunderten mittelständischen Familienunternehmen und die Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze."

"Im ganz einfachen intertemporalen ökonomischen Modell ist es im Prinzip egal, ob Sie alle 30 Jahre 30 Prozent Erbschaftssteuer erheben oder jedes Jahr eine einprozentige Vermögenssteuer über 30 Jahre", sagt Stefan Bach, Steuerexperte vom DIW Berlin.

In der Praxis hätten aber wohl die meisten Unternehmen große Probleme, auf einen Schlag Erbschaftssteuer in Höhe von 30 Prozent des Unternehmenswerts zu bezahlen – zumal Erbfälle unter Umständen viel früher eintreten können als erwartet. Ein Steuermodell, das das nicht berücksichtigt, könnte also in der Tat dazu führen, dass Unternehmen oder Immobilien verkauft werden müssen, nur, damit die Erbschaftssteuer gezahlt werden kann. 

Um solche Fälle zu vermeiden, gebe es jedoch diverse Konzepte zur Stundung, so dass die Erbschaftssteuer gegebenenfalls über Jahrzehnte aus den laufenden Erträgen gezahlt werden könne, sagt Stefan Bach. "Man darf nicht vergessen: Der Staat legt das Geld nicht still, sondern investiert es ja auch."

Der Steuerexperte ergänzt: "Klar, die Wirtschaftspolitik muss besser werden. Der Staat soll weniger Geld verschwenden, weniger Geld ans Volk ausschütten, es besser investieren und seine Verwaltung in Schwung bringen. Aber wenn das Vermögenssteueraufkommen dazu dient, dann ist die Bilanz per Saldo positiv". 

Die OECD spricht sich für eine Reformierung der Erbschaftssteuer in Deutschland aus. Weil geburtenstarke Jahrgänge, die im Lauf des Berufslebens Vermögen sammeln, älter werden, rechnet sie zukünftig mit einem kräftigen Anstieg der Vermögensübertragungen.

"Dies bietet die Gelegenheit, die Erbschafts- und Schenkungssteuer neu zu gestalten, um die Chancengleichheit zu verbessern und Steuereinnahmen zu erzielen, die für die Finanzierung der ökologischen und digitalen Transformation benötigt werden." Damit das jedoch gelingen könnte, seien ein "Abbau von Steuerbefreiungen" und eine "Schließung von Schlupflöchern" notwendig.

Mehr zur Bundestagswahl auf wdr.de:

Unsere Quellen:

  • Interview mit Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin
  • Interview mit Prof. Christoph Spengel, Ökonom an der Universität Mannheim
  • Forsa-Umfrage (Juli 2024) zur Zustimmung zur Vermögenssteuer
  • Boston Consulting Group – Studie zur Vermögensverteilung in Deutschland
  • Global Wealth Databook 2023 (UBS-Bank) – Daten zu Reichen und Superreichen in Deutschland
  • Netzwerk Steuergerechtigkeit & Oxfam – Berechnung potenzieller Einnahmen durch eine Vermögenssteuer
  • Ernst & Young (EY) & ifo-Institut – Modellierungen zur Vermögenssteuer
  • OECD-Bericht zur Erbschaftssteuer und Vermögensbesteuerung in Deutschland
  • Subventionsbericht des Bundesfinanzministeriums – Steuervergünstigungen für Betriebsvermögen
  • DIW-Studie "MillionärInnen unter dem Mikroskop" zur Vermögenskonzentration in Deutschland
  • Wahlprogramme von Union, SPD, AfD, Grünen, Linken, FDP und BSW