- Darum ist NRW bei der Bundestagswahl so wichtig
- Warum ist der Bundestag eigentlich so bzw. zu groß geworden?
- Was bedeutet die künftige Beschränkung - auch für NRW?
- Wie wird entschieden, welcher Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag einzieht?
- Werden so ganze Regionen nicht mehr in Berlin vertreten sein?
- Wie hat sich dadurch der Wahlkampf in NRW geändert?
Darum ist NRW bei der Bundestagswahl so wichtig
Kurz vor der Wahl werben viele Parteien noch einmal in NRW um Stimmen: Die SPD hat für ihren Wahlkampfabschluss die Dortmunder Westfalenhalle gebucht, während die CDU zeitgleich in der Arena Oberhausen den Wahlkampfendspurt einläutet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz suchen nicht ohne Grund kurz vor Schluss noch einmal die große Bühne in NRW. Wer hier erfolgreich ist, der oder die ist es in der Regel auch in ganz Deutschland.
Bei der letzten Bundestagswahl 2021 lag hier - wie auch in ganz Deutschland - die SPD vor der CDU, gefolgt von den Grünen, der FDP, der AfD und der Linke:
NRW ist mit 18,19 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Bundesland. Rund 12,6 Millionen Wahlberechtige dürfen hier ihre Stimme abgeben. Das sind 21 Prozent aller Wahlberechtigten in Deutschland. Entsprechend groß ist auch die Gruppe an Abgeordneten, die NRW in den Bundestag entsenden kann. Bei der letzten Wahl 2021 kamen 155 der 736 Abgeordneten aus NRW.
Auch nach der Bundestagswahl 2025 wird NRW im Verhältnis wieder die meisten Abgeordneten nach Berlin senden, allerdings wird sich ihre Zahl verringern. Denn 2023 ist ein neues Wahlrecht in Kraft getreten, das die Zahl der Abgeordneten auf 630 Mandatsträger beschränkt.
Warum ist der Bundestag eigentlich so bzw. zu groß geworden?
Eigentlich war die Rechnung bislang recht einfach, zumindest in der Theorie: In allen 299 Wahlkreisen in Deutschland wurde bislang per Erststimme ein Kandidat gewählt, der dann als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag einzog. Diese 299 Abgeordneten bildeten die eine Hälfte des Parlaments. Hinzu sollten dann noch einmal 299 Abgeordnete über die Landeslisten der Parteien kommen, macht zusammen also 598 Abgeordnete. Das war bislang die Regelgröße des Bundestags - ein eher theoretischer Wert.
Denn die Mehrheiten im Bundestag (und damit die Sitze der Parteien) sollen sich stets am Zweitstimmenergebnis orientieren. Wenn beispielsweise drei Parteien jeweils auf 20 Prozent der Stimmen und eine auf 40 Prozent kam, sollten so auch die Abgeordneten im Bundestag verteilt sein.
Das funktionierte aber nicht, wenn eine Partei zwar 20 Prozent der Zweitstimmen, aber beispielsweise 50 Prozent aller Wahlkreise gewonnen hätte. Dann hätten ihre 150 direkt gewählten Wahlkreis-Abgeordneten in einem Bundestag mit 598 Sitzen bereits 25 Prozent aller Sitze ausgemacht - und damit zu viel nach ihrem Zweitstimmen-Anteil von 20 Prozent.
Parteien mussten in derartigen Fällen aber keine Sitze abgeben, die übrigen Parteien bekamen sogenannte Ausgleichsmandate hinzu. Dadurch wuchs der Bundestag aber immer weiter an. Aus dem "Regelfall" mit 598 Abgeordneten wurde so das größte Parlament Europas mit zuletzt 736 Sitzen nach der Bundestagswahl 2021. Das ist nicht nur teuer, sondern erschwert auch die parlamentarische Arbeit etwa in Ausschüssen und Arbeitsgruppen.
Was bedeutet die künftige Beschränkung - auch für NRW?
Mit dem 2023 in Kraft getretenen neuen Wahlrecht wird die Zahl der Abgeordneten nun auf höchstens 630 beschränkt. Die Anzahl der Wahlkreise bleibt dabei unverändert bei 299. Die dort gewählten Kandidaten ziehen nun aber nicht mehr automatisch in den Bundestag ein.
Nun wird nach der Wahl zuerst einmal geschaut, wie viele Sitze einer Partei bundesweit nach ihrem Zweitstimmenanteil überhaupt zustehen. Danach wird anhand des Zweitstimmen-Wahlergebnisses in den Bundesländern ermittelt, wie viele Sitze die Partei im jeweiligen Bundesland erhält, also wie viele Abgeordnete sie nach Berlin schicken kann. Diese Zahl bildet damit auch die Höchstzahl der möglichen Wahlkreisabgeordneten dieser Partei in dem jeweiligen Bundesland.
Konkret bedeutet das: Sollten die Wahlkreis-Kandidaten der CDU bei der Bundestagswahl in allen 64 NRW-Wahlkreisen gewinnen, wären sie nach altem Wahlrecht direkt in den Bundestag eingezogen. Jetzt wird aber erst einmal geschaut, wie viele Sitze der CDU in NRW nach Zweitstimmenergebnis überhaupt zustehen. Sollte die Berechnung ergeben, dass der CDU beispielsweise nur 40 Mandate zustehen, bekommt sie auch nur diese Anzahl an Sitzen. 24 der 64 Wahlkreisbewerber könnten dann also nicht in den Bundestag einziehen.
Im umgekehrten Fall gilt natürlich auch (wie bisher): Gewinnt eine Partei nur einen Wahlkreis direkt, während ihr aber nach Zweitstimmenanteil beispielsweise 10 Sitze zustehen, kommen dann zusätzlich zum Wahlkreisgewinner die ersten 9 Kandidaten auf der Landesliste zum Zuge bzw. in den Bundestag.
Bei der Bundestagswahl 2021 hatten CDU und SPD jeweils 30 Direktmandate in NRW gewonnen, die Grünen 4. Insgesamt erhielt die CDU damals 42 Mandate, die SPD 49, die FDP 19, die AfD 12, Grüne 27 und die Linke 6. NRW erhielt damit 155 Sitze im Bundestag.
Wie wird entschieden, welcher Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag einzieht?
Künftig gilt also: Gewinnt eine Partei mehr Wahlkreise, als ihr Sitze zustehen, gehen die Wahlkreisbewerber mit den schwächsten Erststimmenergebnissen leer aus. Sie dürfen dann nicht in den Bundestag einziehen, obwohl sie die Wahl in ihrem Wahlkreis gewonnen haben. Da der Platz dann nicht an Zweitplatzierte anderer Parteien fällt, ist dieser Wahlkreis dann nicht mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten.
Sollte also etwa die CDU in NRW mehr Wahlkreise gewinnen, als ihr Abgeordnete nach Zweitstimmenergebnis zustehen, werden die Abgeordneten mit dem schwächsten Sieg nicht in den Bundestag einziehen. Betroffen sein werden davon Wahlkreise, in denen sich CDU und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, die CDU-Kandidatin bzw. der CDU-Kandidat also nur knapp vor der SPD liegt - also wahrscheinlich eher im Ruhrgebiet als im Hochsauerland. Dort könnten also nach der Bundestagswahl erstmals einige Wahlkreise über keinen Abgeordneten in Berlin verfügen.
Viel Neues bei der Bundestagswahl. WDR 5 Westblick - aktuell. 19.02.2025. 04:45 Min.. Verfügbar bis 19.02.2026. WDR 5.
Werden so ganze Regionen nicht mehr in Berlin vertreten sein?
Die Parteien haben bereits angekündigt, dass sie etwaige Wahlkreis-Leerstellen ausgleichen, indem Abgeordnete aus Nachbarkreisen diese Wahlkreise dann mitbetreuen. Die Wählerinnen und Wähler werden also in der Regel weiterhin eine Stimme in Berlin haben - nur nicht mehr direkt in ihrem Wahlkreis.
Welche Auswirkungen hat das auf den Wahlkampf?
Besonders die Parteien, die bisher viele Wahlkreise gewonnen haben, müssen nun besonders um Zweitstimmen werben, damit deren Wahlkreisgewinner möglichst auch alle in den Bundestag einziehen. Nur ein hohes Zweitstimmenergebnis sichert auch viele Plätze für möglichst viele bzw. alle Wahlkreisgewinner der Partei.
Das hatte vermutlich auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Blick, als er seine Anhänger davor warnte, Zweitstimmen nicht an die CDU, sondern an eine eher abgeschlagene FDP zu geben. Auch Merz wird wissen, dass die CDU-Direktmandate nur dann sicher sind, wenn die Partei genügend Zweitstimmen erhält.
Das machen sich aber auch andere Parteien zunutze. Sebastian Fiedler (SPD) warnt die Wähler und Währlerinnen in Mülheim an der Ruhr etwa davor, eventuell nicht mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten zu sein. Wenn nämlich die CDU so viele Wahlkreise in NRW gewinnen sollte, dass sie nicht alle Kandidaten nach Berlin schicken kann, könnte ein knapper Sieg der CDU-Kandidaten in seinem Wahlkreis dazu führen, dass dieser Wahlkreis gar nicht in Berlin vertreten sein würde. Nach dem Motto: Besser ein SPD-Abgeordneter als gar kein Abgeordneter.