Fünf Jahre E-Scooter: Steigende Unfallzahlen und strenge Regeln
Stand: 15.06.2024, 16:17 Uhr
Am Anfang stand die Euphorie: Ein neues Verkehrsmittel für die sogenannte "letzte Meile", die E-Roller galten als umweltschonend und flexibel. Schwere Unfälle, betrunkene Fahrer und wild geparkte Fahrzeuge kratzen inzwischen am Image der Tretroller.
Von Stefan Erdmann
Die Voraussetzungen waren eigentlich bestens: E-Scooter sind preisgünstig in der Anschaffung, online kann man in wenigen Minuten eine Versicherung abschließen, manche Geräte lassen sich sogar platzsparend zusammenfalten. Das perfekte Gefährt für die kurzen Wege von der Wohnung zum nächsten Bahnhof oder zum Pendeln in die Innenstadt. Der Verkehrsclub ADAC sieht diese Vorteile auch weiterhin, mindestens bei den privat genutzten Scootern. Das sind laut ADAC-Umfrage gut 45 Prozent aller angemeldeten Fahrzeuge.
Unfallzahlen und Problemfälle steigen an
Probleme gibt es fünf Jahre nach dem Zulassungsstart aber zuhauf, vor allem mit den Miet-Rollern kommerzieller Anbieter: Roller-Raser auf Bürgersteigen, quer auf Gehwegen geparkte Scooter, auch wild in Parks umgeworfene oder direkt im Fluss versenkte Geräte. Ein Kölner Umweltschutzverein holt regelmäßig Roller aus dem Rhein, hunderte sind es inzwischen. Obwohl am Ufer längst eine Verbotszone gilt.
Über 2.500 Fahrer oder Mitfahrer (dabei ist letzteres gesetzlich verboten) von E-Scootern sind in 2023 auf nordrhein-westfälischen Straßen verunglückt, fünf davon tödlich, zeigen frische Zahlen der Landesstatistiker. Der Anstieg seit der ersten Zulassung ist jedes Jahr deutlich zu erkennen. "Deswegen ist es schon sinnvoll, dass man hier auch reguliert", sagt Katharina Lucà vom ADAC, "wie man es auch bei den anderen Verkehrsmitteln tut".
Die obenstehende Grafik zeigt nur den Anstieg der Unfälle. Diese Daten sind aber nicht ins Verhältnis gesetzt zu der Zahl der Zulassungen von E-Scootern.
NRW-Städte reagieren mit verschärften Regeln
Und das tun die Städte: Immer mehr setzen strenge Regeln um, richten Fahrverbotszonen in Innenstädten ein oder beschränken die Möglichkeiten der kommerziellen Verleihfirmen. Die Stadt Bonn testet seit Anfang 2024 in der Innenstadt fest vorgegebene Bereiche zum Parken. Ähnliches gilt schon auf der Kö in Düsseldorf, und auch in Dortmund und Recklinghausen haben die Städte feste Roller-Parkplätze eingerichtet.
Andere Städte verlangen hohe Sondernutzungsgebühren von den Verleihern. 50 Euro pro Roller und Jahr müssen die Unternehmen beispielsweise in Münster, Dortmund oder Düsseldorf zahlen.
Extremfall: Gelsenkirchen zieht Reißleine
Gar keine Roller mehr gibt es seit April in Gelsenkirchen. Stadt und Polizei wollten auf die gestiegene Zahl an Zwischenfällen reagieren. Damals hieß es von der Polizei:
Gelsenkirchen verlangte deshalb von allen Verleih-Firmen, dass sie sich die Identität ihrer Kunden durch eine Führerschein- oder Pass-Kopie bestätigen lassen, was bisher nicht üblich ist. Dagegen klagten zwei Unternehmen. Ihre Eilanträge vor Gericht scheiterten. Der Sprecher einer Verleihfirma betonte aber, es handle sich nicht um eine endgültige Entscheidung. Private Fahrzeuge sind davon nicht betroffen.
Umweltbundesamt: Kein Beitrag zur Verkehrswende
Der Einfluss der E-Scooter auf die Umwelt hält sich bisher noch in Grenzen, sagt das Umweltbundesamt. Erste Studien zeigten demnach, dass die Scooter den oft umweltfreundlicheren Fuß- und Radverkehr ersetzten. Außerdem sei die Lebensdauer der Leih-Roller offenbar eher gering.
Damit E-Scooter eine Zukunft als ernstzunehmendes Verkehrsmittel haben, muss etwas passieren, sagt Katharina Lucà vom ADAC: "Wir sehen natürlich die Schwierigkeiten, die Vorbehalte, die aktuell da sind. Da sehen wir schon, dass es einfach viele Themen gibt, die man im Zusammenhang mit dem E-Scooter beackern muss, damit er eben weiter seine Berechtigung im Mobilitätsmix behält."
Unsere Quellen:
- Interview mit ADAC-Sprecherin
- Polizei Gelsenkirchen
- Umweltbundesamt
- Landesbetrieb IT.NRW
- Reporter vor Ort