Heute wird eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung zu jungen Menschen und Gründertum veröffentlicht. Aus dieser geht hervor, dass sich 40 Prozent der Personen zwischen 14 und 25 Jahren vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen. 25 Prozent haben eine Gründung sogar schon fest eingeplant.
Die Bertelsmann Stiftung sagt, dass der Begriff "gründen" für die Studie sehr breit gefasst worden sei - insbesondere da auch Minderjährige befragt worden sind. Gefragt wurde, ob die Personen sich branchenunabhängig vorstellen könnten, zukünftig unternehmerisch oder selbstständig tätig zu werden.
Immer jüngere Gründer
In der Vergangenheit gab es auch schon andere Umfragen, die zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Der "Global Entrepreneurship Monitor" (GEM) untersucht beispielsweise seit 20 Jahren jedes Jahr das Gründungsverhalten weltweit. Im Jahr 2022 erreichte die Quote der Gründungsaktivitäten laut dieser Untersuchung mit 9,1 Prozent den höchsten Wert seit 1999. Dieser Anstieg geht auch aus den Zahlen des Statistischen Bundesamts zu den Neugründungen in Deutschland im Jahr 2023 hervor.
Außerdem beobachtet der "Global Entrepreneurship Monitor", dass sich die Altersklasse bei den Gründungen in den letzten fünf Jahren verschoben hat. Bis 2017 waren die Menschen "mittleren Alters", also Menschen zwischen 35 und 44 Jahren, die Gruppe mit der höchsten Gründungsquote. Seitdem haben sich die Gründungsaktivitäten jedoch immer stärker hin zu jüngeren Bevölkerungsgruppen verschoben.
Von der Idee zur Gründung
Okay Durmus ist 24 Jahre alt und kommt aus Mönchengladbach. Er ist Gründer der App Guardy, die nun seit zehn Monaten in der Entwicklung ist. "Die App soll den Heimweg von Frauen und Kindern sicherer machen", sagt Durmus. Die Idee zu der App kam ihm durch seine jüngere Schwester, um die er sich Sorgen machte, wenn diese alleine auf dem Nachhauseweg sei. Mittlerweile ist auch ein Investor an Bord und zwei Software-Entwickler, die an der App arbeiten.
Emily Holstein ist 25 Jahre alt und Gründerin des Unternehmens Fizzy Fit, das innovative Produkte für den Sportnahrungsmarkt entwickelt. Mit dem Thema Gründung hat sie sich das erste Mal während ihres Auslandssemesters auseinandergesetzt, weil sie dort von Leuten umgeben war, die eben diesen "Traum" hatten. "Das hat mich damals so inspiriert, dass es eben halt auch zu meinem Traum geworden ist", sagt sie.
Die Motivation hinter der Selbstständigkeit
Laut der Bertelsmann Stiftung liegt die Motivation zur Selbstständigkeit bei vielen jungen Menschen darin, ihr eigener Chef zu sein. Okay Durmus sagt zu seiner Motivation hinter der Gründung: "In mir drin war schon immer, dass ich irgendwann selbstständig sein möchte."
Ihm geht es dabei hauptsächlich um die Freiheit, die die Selbstständigkeit bietet, auch wenn das bedeutet, sogar mehr arbeiten zu müssen als andere. Zum WDR sagt er: "Klar hab ich jetzt mehr als ne 40 Stunden Woche, aber ich hab ja auch Spaß, an dem was ich tue und deswegen: Für mich ist Arbeiten kein Arbeiten mehr sondern einfach Selbsterfüllung".
Der Anfang ist schwer
Für Emily Holstein war der Anfang der Gründung am schwierigsten. Sie sagt: "Ich hatte ne coole Geschäftsidee, aber ich wusste nicht, was sind jetzt so die nächsten Schritte". Da hat es ihr geholfen, Gleichgesinnte zu finden und sich mit diesen auszutauschen.
Okay Durmus hat erst nach der Gründung, als die App schon in der Entwicklung war, nach Unterstützung für seine Sache gesucht. Dabei ist er auf die Wirtschaftsförderung in Mönchengladbach gestoßen, durch die er ein NRW-Gründungsstipendium bekommen habe. Auch Emily Holstein hat mit Fördermöglichkeiten bislang richtig gute Erfahrungen gemacht. Auch Wettbewerbe findet sie total sinnvoll, vor allem weil man hier neue Kontakte knüpfen könne - und Kontakte seien für die Gründung sehr wichtig.
Fördermöglichkeiten zu wenig bekannt
Die Studie der Bertelsmann Stiftung kommt auch zu dem Schluss, dass "fehlendes Wissen" oft ein Grund sei, der junge Menschen von der Gründung eines Unternehmens abhält. Anastasia Rylnikov ist Projektleiterin für Skills Up, ein Teilprojekt der Wirtschaftsförderung in Mönchengladbach mit dem Namen "Gründungsfabrik". Das Projekt soll junge Menschen und Talente am Wirtschaftsstandort Mönchengladbach und Umgebung unterstützen.
"Es gibt viele Möglichkeiten, Ideen zu fördern", erklärt Anastasia Rylnikov dem WDR. Es gäbe ein breites Angebot, das zum Beispiel Coachings und Beratungen umfasst. Außerdem gäbe es eben die Möglichkeit, ein Stipendium zu bekommen und Kontakte aus dem Netzwerk der Wirtschaftsförderung zu vermitteln. Anastasia Rylnikov sagt: "Jeder ist herzlich willkommen in der Gründungsfabrik".
Von der Schule in die Selbstständigkeit
Anastasia Rylnikov betont, dass es tatsächlich immer mehr Schüler gäbe, die gerne ein eigenes Unternehmen gründen wollen. Manchmal hätten die Schüler wirklich schon handfeste Ideen, die sie dann in einer AG ausarbeiten können. Meistens sind es Schüler, kurz vor dem Schulabschluss, die die Idee dann auch weiter zu verfolgen.
Miriam Lentzen ist Lehrerin am Hugo-Junkers-Gymnasium in Mönchengladbach. Sie betreut Gründer-Projektgruppen von Schülern in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung. Sie sagt, dass die Schüler hier ganz anders arbeiten können, als im normalen Unterricht und dass sie mit viel Leidenschaft bei der Sache seien. Eine Gruppe hat es dieses Jahr beim deutschen Gründerpreis für Schüler sogar auf den dritten Platz geschafft. "Interessant ist auch, dass diese Gruppe vielleicht in naher Zukunft wirklich gründen wird", sagt Miriam Lentzen.
Auch Influencer versprechen schnellen Reichtum
Aber auch kurze Videos im Netz können junge Menschen auf Ideen bringen - zum Beispiel wenn bekannte Influencer für Selbstständigkeit und schnelles Geld werben oder gleich Investmenttipps geben. "Das ist der Versuch, sich an ökonomischen Randphänomenen zu bereichern", erklärt Finanzjournalist und Podcaster Ole Nymoen im WDR-Interview. Gemeint sei dabei zum Beispiel das Geschäft mit Kryptowährungen. Auch gibt es Frauen, die davon erzählen, mit dem Verkauf von Socken oder Unterwäsche an Männer viel Geld zu verdienen. "Das sind Phänomene, die zwar irgendwo in der realen Welt vorkommen, die sind aber natürlich so selten, dass nicht alle davon leben können. Es können nicht alle Menschen Bitcoins und Unterwäsche verkaufen."
Quellen:
- Studie der Bertelsmann Stiftung
- Untersuchung "Global Entrepreneurship Monitor" (GEM)
- Okay Durmus im Gespräch mit dem WDR
- Emily Holstein im Gespräch mit dem WDR
- Anastasia Rylnikov im Gespräch mit dem WDR
- Miriam Lentzen im Gespräch mit dem WDR
- Ole Nymoen im Gespräch mit dem WDR
- Statistisches Bundesamt