25 Personen wurden am Mittwoch im Zuge einer großangelegten Razzia in Deutschland, Österreich und Italien festgenommen. Nach Ansicht der Generalbundesanwaltschaft wollten sie das politische System in Deutschland stürzen, mit Waffengewalt eine neue Regierung installieren und dabei auch Tote in Kauf nehmen.
Laut Behörden setzt sich die Gruppe aus sogenannten Reichsbürgern und Rechtsextremisten zusammen. Im Zentrum der Ermittlungen steht Heinrich XIII. Prinz Reuß, der nun in Untersuchungshaft sitzt. Was bisher über den Mann bekannt ist.
Wer ist Heinrich XIII. Prinz Reuß?
Er ist eines von sechs Kindern von Heinrich I. Prinz Reuß (1910-1982) und Woizlawa-Feodora Herzogin zu Mecklenburg (1918-2019). Heinrich XIII. wurde am 4. Dezember 1951 in Büdingen geboren und arbeitet als Immobilienunternehmer. Der studierte Ingenieur lebt in Frankfurt am Main und ist Eigentümer des Jagdschlosses Waidmannsheil im ostthüringischen Bad Lobenstein. Festgenommen wurde er an seinem Wohnsitz in Frankfurt.
Michael Götschenberg ARD-Terrorismusexperte, sagte am Donnerstag in der Aktuellen Stunde, dass man den Mann ernst nehmen müsse: "Ich glaube, dass wir einen Fehler begehen, wenn wir diese Person belächeln oder verharmlosen. Wir haben es hier mit jemandem zu tun, der offenbar entschlossen war, das politische System der Bundesrepublik zu beseitigen." Dass er an der Spitze der Gruppe stehe, sei kein Zufall: Da Reichsbürger davon ausgingen, dass das Deutsche Reich noch existiere, verfügten Menschen mit einem Adelstitel in ihren Kreisen über "eine hohe natürliche Autorität", so Götschenberg.
Was wird ihm vorgeworfen?
Der 71-Jährige ist einer der Hauptbeschuldigten und soll, wie die Generalbundesanwaltschaft mitteilte, neben einer zweiten Person "als Rädelsführer agiert haben". Demnach ist er beteiligt an der Bildung einer "terroristischen Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen".
Den Angehörigen der Vereinigung sei bewusst gewesen, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten hätte verwirklicht werden können, so die Ermittler. Dazu zähle "die Begehung von Tötungsdelikten".
Welche Rolle hätte der Unternehmer bei einem Staatsstreich gespielt?
Laut Bundesanwaltschaft galt er in "der Vereinigung als zukünftiges Staatsoberhaupt". Es sollte eine (militärische) Übergangsregierung gebildet werden, in Verhandlungen mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs. Zentraler Ansprechpartner dafür sei derzeit ausschließlich die Russische Föderation gewesen.
Er habe entsprechende Kontakte mit russischen Vertretern aufgenommen. Nach bisherigen Ermittlungen gebe es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert hätten.
Welche politischen Thesen vertritt er?
Heinrich XIII. Prinz Reuß fiel bereits in der Vergangenheit mit kruden Thesen auf. 2019 sprach er als Redner auf einem "Worldwebforum" und behauptete unter anderem, Deutschland sei seit dem Zweiten Weltkrieg kein souveräner Staat mehr, sondern werde von Alliierten verwaltet. Thüringens Landesverfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer sagte, der 71-Jährige sei in Thüringen "außerordentlich aktiv".
Was hat es mit seinem Jagdschloss auf sich?
Die Immobilie steht im Branchenbuch von Bad Lobenstein als Sitz der Heinrich XIII. Prinz Reuß & Anderson & Peters Ltd. Einwohner sagten dem Nachrichtensender "ntv", dass der Prinz das Jagdschloss Anfang der 1990er Jahre erworben hat. Nach Informationen der "Ostthüringer Zeitung" wurde das Jagdschloss über die Jahre hinweg immer mehr eingezäunt - warum, ist ungeklärt.
Welche Rolle spielt seine vermeintliche russische Lebensgefährtin?
Auch Reuß‘ angebliche Lebensgefährtin, die Russin Vitalia B., wurde bei der Razzia festgenommen. Laut Generalbundesanwalt ist sie dringend verdächtig, "die Vereinigung insbesondere dadurch unterstützt zu haben, dass sie dem Beschuldigten Heinrich XIII P. R. bei der Kontaktaufnahme zu Vertretern der Russischen Föderation behilflich war“.
Ist der Beschuldigte ein "Reichsbürger"?
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sieht ihn als Teil eines "Reichsbürger"-Netzwerkes: "Das kann man schon so sagen, dass er hier eine Rolle spielt." Auch der amtierende Bürgermeister von Bad Lobenstein, Klaus Möller (Linke), will wissen, "dass er zu dieser Szene dazugerechnet wird".
Wie steht die Familie zu dem Prinzen?
Heinrich XIII. ist nach Angaben von Fürst Heinrich XIV., dem Sprecher des Fürstenhauses Reuß, ein "teilweise verwirrter" Mann, der "verschwörungstheoretischen Irrmeinungen" aufsitze. Das sagte er dem MDR. Demnach habe Heinrich XIII. bereits vor 14 Jahren den Familienverbund verlassen, es gebe auch seit längerem keinen persönlichen Kontakt mehr.
Er sei nur ein "entfernter Verwandter" und habe sich "über Enttäuschungen radikalisiert", so Familienchef Heinrich XIV. am Donnerstag dem WDR.
Für eine Stellungnahme war Heinrich XIII. Prinz Reuß für den WDR am Mittwoch nicht zu erreichen.
Über dieses Thema berichten wir am Mittwoch, 07.12.2022, laufend in unseren Fernseh- und Radiosendungen.