Im Dezember letzten Jahres hatte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) ihr Maßnahmenpaket gegen den Lehrkräftemangel vorgestellt. Am Montag stellte sie in Düsseldorf eine erste Zwischenbilanz der Pläne vor, die offiziell "Handlungskonzept Unterrichtsversorgung" heißen. Die Schulministerin fasste in Kürze die Entwicklung zusammen mit: "Wir haben zwar noch einen weiten Weg vor uns, aber wir kommen Schritt für Schritt voran."
Und das sind die einzelnen Schritte:
Mehr Abordnungen, also zeitlich befristete Versetzungen
Das Instrument der Abordnung hat es schon vorher gegeben, betonte Feller, jetzt werde es jedoch häufiger angewandt. In der Praxis bedeutet das: Lehrerinnen und Lehrer können befristet, in der Regel für zwei Jahre, an eine andere Schule versetzt werden. Das kann vom Gymnasium zur Grundschule passieren oder auch innerhalb der vertrauten Schulform. Ziel sei, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, wenn etwa Lehrkräfte aus gut versorgten Regionen ins schlechter versorgte Ruhrgebiet abgeordnet werden. Neu sei, dass bereits eine Neueinstellung mit einer Abordnung beginnen könne.
Laut Schulministerium wurden im Schuljahr 2023/2024 insgesamt 8.129 Abordnungen ausgesprochen (Stand 02.10.2023). Besonders profitiert hätten die Grundschulen, hier habe sich die Zahl innerhalb eines halben Jahres um 205 erhöht. Einen erheblichen Anteil leisteten die Gymnasien, die Abordnungen von dieser Schulform seien um 450 im letzten Jahr gestiegen.
Beispiel Grundschule Duisburg
Der Schulleiter der Gesamtgrundschule Ottfried Preußler aus Duisburg, Wittinghofer, schilderte in Düsseldorf seine Erfahrungen mit Abordnungen. Als Schule im Duisburger Norden, die viele Kinder mit Zuwanderungsgeschichte habe, sei er dankbar für die neuen Lehrkräfte. Ein Kollege, der aus einer anderen Stadt abgeordnet worden sei, fühle sich wohl im Team. Sein Ziel als Schulleiter sei, die neuen Lehrkräfte "so einzubinden, dass sie nach zwei Jahren bleiben möchten".
Zahl der Teilzeitkräfte rückläufig
Ein weiteres Instrument aus dem Handlungskonzept der Ministerin sieht eine schärfere Prüfung bei der "voraussetzungslosen Teilzeit" vor. Die Zahl der Lehrkräfte in entsprechender Teilzeit habe sich im letzten halben Jahr von 13.744 auf 13.234 um 510 verringert. Nicht betroffen sei die Familienteilzeit, sie werde nach wie vor uneingeschränkt gewährt, betonte Feller.
Zudem habe man 90 Zeitverträge von Lehrkräften entfristen können.
Alltagshelferinnen als Entlastung willkommen
Eine "zeitnahe und spürbare Entlastung" machte die Schulministerin durch die Einstellung von Alltagshelferinnen aus. Ob auch Männer in dem Bereich eingestellt wurden, konnte sie nicht sagen. "Also bei uns sind es nur Frauen", erzählte die Leiterin der Schalker Regenbogengrundschule, Astrid Röwekamp, in Düsseldorf. Sie seien "eine riesige Bereicherung, sehr wertvoll und sehr, sehr hilfreich".
Eine der neu eingestellten Alltagshelferinnen ist Yvonne Dominas. Die gelernte Frisörin ist in ihrem neuen Beruf "total glücklich", wie sie ebenfalls in Düsseldorf schilderte. Sie übernehme kleine Aufgaben wie das Austeilen und Einsammeln von Blättern, hilft beim Sportunterricht beim Umziehen oder auch mal beim Stempeln neuer Schulbücher.
SPD spricht von "Klein-Klein", FDP nennt Lage "prekär"
Für die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag, Dilek Engin, ist die Zwischenbilanz der Schulministerin jedoch nur "unzureichendes Klein-Klein", das werde "den zunehmenden Herausforderungen in keiner Weise gerecht". Für diesen Mittwoch beantragte die SPD-Fraktion eine aktuelle Viertelstunde im Schulausschuss. Dann soll es auch um die jüngste IQB-Studie gehen: "Die Ministerin muss dem Landtag und der Öffentlichkeit erklären, wie sie auf die schlechten Nachrichten zum neuen IQB-Bildungstrend reagieren will und darf hier nicht beschwichtigen." Auch die AfD hat eine Aktuelle Viertelstunde für den Ausschuss zur IQB-Studie beantragt.
Land streicht Inklusionsförderung
Westpol. 17.09.2023. UT. DGS. Verfügbar bis 17.09.2028. WDR.
Auch die FDP-Opposition sieht in der vorgestellten Zwischenbilanz "keinerlei Erfolge der Schulministerin", die Unterrichtsversorgung sei nach wie vor "prekär", unterstrich die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Franziska Müller-Rech. "Statt echter, spürbarer Verbesserungen für unsere Schulen stellt die Schulministerin personalrechtliche Maßnahmen für Lehrkräfte in den Fokus. Wir haben schon früh angemahnt, dass zum Beispiel durch die bloße Zwangsversetzung von Lehrkräften keine einzige Stelle mehr besetzt wird."
VBE kritisiert "große Unruhe", Lehrer NRW warnt vor Attraktivitätsverlust des Berufs
Der NRW-Landesverband Bildung und Erziehung (VBE NRW) kritisierte, dass die Maßnahmen der Ministerin große Unruhen in die Kollegien und damit in die Schulen gebracht hätten. Es sei wichtig, das Bestandspersonal im Blick zu halten. Anne Deimel, Vorsitzende des VBE NRW, sagte: "Pflichtabordnungen und beschränkte Teilzeitmöglichkeiten belasten viele Lehrkräfte." Die Gefahr sei groß, "dass das Maßnahmenpaket auf Dauer das gesamte System belastet", warnte Deimel. "Letztlich bleibt es bei einer Mangelverwaltung, die Löcher an der einen Stelle stopft, aber an anderer Stelle Unruhe und Mangel verursacht."
Der Verband "Lehrer NRW" mahnte ebenfalls, "dass vermeintliche Erfolge wie die Erhöhung von Abordnungen oder die Rückgänge bei der voraussetzungslosen Teilzeit teuer erkauft sind - nämlich mit einem Attraktivitätsverlust des Lehrerberufs und einer unvermindert hohen Arbeitsbelastung der Bestandslehrkräfte", wie es in einer Mitteilung heißt. Der Verbandsvorsitzende Sven Christoffer sagte: "Zum Scheitern verurteilt ist hingegen die Strategie, diejenigen Lehrkräfte, die noch stehen, noch mehr und noch länger arbeiten zu lassen."