Josefine Paul (Grüne) am Rednerpult im Landtag NRW

Hitzige Debatte über Flüchtlinge in NRW: Empörung, Vorwürfe, Mahnungen

Stand: 24.08.2023, 16:19 Uhr

Auf Antrag aller drei Oppositionsparteien, also SPD, FDP und AfD, hat der NRW-Landtag die Unterbringung von Flüchtlingen in NRW diskutiert. Eine in Teilen turbulente Debatte.

Auf Antrag von SPD, FDP und AfD hat sich der NRW-Landtag am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde mit der Flüchtlingspolitik der Landesregierung befasst. Auslöser war die Ankündigung von NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul, dass wegen der begrenzten Kapazitäten des Landes die Kommunen 1.500 weitere Geflüchtete unterbringen müssten. Mehrfach ertönte in der Debatte die helle Ordnungsglocke von Landtagspräsident André Kuper (CDU), um den dumpfen Klangteppich aus lauten Zwischenrufen zu stoppen. Es war eine von viel Empörung, Emotionen und wechselseitigen Vorwürfen getragene Debatte.

Rednerinnen und Redner unterschiedlicher Fraktionen waren "fassungslos" ob der Redebeiträge, warfen sich gegenseitig "Unredlichkeit" vor. Wobei - auch das bezeichnend für diese Debatte - sowohl die regierungstragenden Fraktionen von CDU und Grünen, also auch die Oppositionsfraktionen von SPD und FDP eindringlich davor warnten, dass diese Debatte am Ende nur der AfD nutzen würde. Und die beiden Lager riefen sich gegenseitig zur verbalen Mäßigung auf.

SPD und FDP mit schweren Vorwürfen gegen Regierung

Mit drastischen Formulierungen umrissen Christian Dahm (SPD) und Marc Lürbke (FDP) die aktuelle Lage. Der Sozialdemokrat eröffnete die "Aktuelle Stunde" mit Frontalvorwürfen gegen Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne): "Es herrscht Chaos." Dann sprach er von einem "Organisationschaos der Ministerin", sie lege "die Axt an die Akzeptanz der Bevölkerung". Dahm zitierte den Bürgermeister einer NRW-Kommune, ohne dessen Namen oder Parteizugehörigkeit zu nennen: Gerade die grüne Flüchtlingsministerin mache die "inhumanste Flüchtlingspolitik". Und auch Dahm selbst bescheinigte der Landesregierung eine "inhumane Flüchtlingspolitik", die "Demokratie vor Ort" sei in Gefahr, so Dahm. Und er sagte, eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen werde immer schwieriger.

NRW-Opposition kritisiert Chaos in der Flüchtlingspolitik

WDR Studios NRW 24.08.2023 01:01 Min. Verfügbar bis 31.08.2025 WDR Online


Marc Lürbke (FDP) erklärte, es drohten "Kollaps und Überlastung", die Kommunen seien an der Leistungsgrenze. Der Ministerin warf er Untätigkeit vor, spracht sogar von "Arbeitsverweigerung". Die vorzeitige Zuweisung von Flüchtlingen an die Kommunen sei ein "Offenbarungseid". Dahm und Lürbke bekannten sich zum Asylrecht und der Pflicht, Schutzsuchenden zu helfen.

AfD fordert Grenzsicherung

Die Rednerin de AfD, Enxhi Seli-Zacharias, nannte Flüchtlinge hingegen "Menschen, die eigentlich nie hätten hier sein dürfen". Sie beklagte, dass die Landesregierung die Vokabel "Grenzsicherung" nicht kenne. Die Landesregierung sei "ohne Skrupel" bereit, "das Leben von Menschen völlig auf den Kopf zu stellen". Dabei meinte sie nicht die Flüchtlinge, sondern die Anwohnerinnen und Anwohner von Flüchtlingsunterkünften. Deren über Jahre abbezahlte Immobilien würden entwertet, so Seli-Zacharias.

Flüchtlingsministerin Paul mit "Sechs-Punkte-Plan"

NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen) bekräftigte, das Land stehe zu seiner Verantwortung, Menschen, "die vor Krieg, Verfolgung, Terror zu uns fliehen" Schutz zu bieten. Sie forderte - wie viele andere Rednerinnen und Redner auch - den Bund auf, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Dann bezog sie sich auf einen von ihr frisch vorgelegten "Sechs-Punkte-Plan". Die Nachrichtenagentur DPA hatte erstmals am Donnerstag um 5.00 Uhr darüber berichtet, also wenige Stunden vor der Debatte. Ein Plan, der den Abgeordneten, wie die Sozialdemokratin Lisa-Kristin Kapteinat beklagte, nicht zugegangen sei.

Im Kern enthält der Paul-Plan eine Bündelung bereits bekannter Maßnahmen sowie eine vermehrte Einbindung von ehrenamtlich Tätigen und bessere Information von Anwohnerinnen und Anwohnern von Flüchtlingsunterkünften. Keine der drei Oppositionsparteien, die das Thema auf die Agenda des Landtags setzten, überzeugte dieser Plan.

Über dieses Thema berichten wir auch am Donnerstag in der Sendung Westblick (WDR5) ab 17.04 Uhr.