CDU-Chef Friedrich Merz (l) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)

Was der Koalitionsvertrag mit der NRW-Politik macht

Stand: 10.04.2025, 16:25 Uhr

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steckt viel NRW. Aber die geplante Regierung im Bund verändert auch die Landespolitik. Für große Probleme müssen nun Lösungen her - und natürlich geht es auch darum, wer welchen Posten bekommt.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

Dutzende christ- und sozialdemokratische Politikerinnen und Politiker aus NRW haben an den Verhandlungen teilgenommen. Und so wundert es nicht, dass die führenden Köpfe von CDU und SPD in Düsseldorf den Koalitionsvertrag ganz gut finden.

"Viele gute Vorhaben" und "viele Chancen" sieht CDU-Landeschef Hendrik Wüst in dem Dokument. Zwar seien nicht alle notwendigen Schritte zu Papier gebracht worden, doch der Ministerpräsident spricht von einer "guten Arbeitsgrundlage". Er verstehe aber, wenn gerade junge Leute - etwa wegen der geplanten Schulden - mit "einer gewissen Skepsis" reagierten.

Wer bekommt die Milliarden-Investitionen?

Jochen Ott, Fraktionsvorsitzender NRW-SPD, bei der Plenarsitzung zum Haushaltsgesetz

Jochen Ott, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag

Jochen Ott, SPD-Fraktionschef im Landtag, war Mitglied der Arbeitsgruppe "Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie" bei den Koalitionsverhandlungen. Auch er spricht von einer "guten Grundlage". Nun wolle man genau darauf schauen, "welche Bälle damit auch wieder bei Hendrik Wüst liegen". Jetzt müsse der Ministerpräsident zeigen, "was er daraus für NRW macht". Die Verantwortung zum Beispiel für Schulen, Kitas und Bildung werde Wüst "nun schwerlich in Berlin abladen können", sagt Ott.

Auf eine Journalisten-Frage, wofür er die schuldenfinanzierten Milliarden-Investitionen in NRW ausgeben wolle, nennt Wüst am Donnerstag tatsächlich die Bereiche Kitas, Schulen und Kommunen. Dass hier massiv Geld reingesteckt werden muss, ist parteiübergreifend Konsens. Es geht um 100 Milliarden Euro - für alle Bundesländer und über zwölf Jahre. Es sei also mit 1,5 bis zwei Milliarden Euro für NRW pro Jahr zu rechnen. "Das kriegen wir hier sehr zügig, gemeinsam mit den Kommunen verarbeitet", so Wüst.

Was der Koalitionsvertrag mit der NRW-Politik macht

WDR Studios NRW 10.04.2025 13:23 Min. Verfügbar bis 12.04.2027 WDR Online


Was für NRW besonders relevant ist

Neben den großen Themenblöcken von Wirtschaft, Migration bis Soziales, die ganz Deutschland betreffen, gibt es eine ganze Reihe von Vorhaben im Koalitionsvertrag, die sich auf Nordrhein-Westfalen beziehen oder aus NRW angestoßen wurden. Drei Beispiele: die Altschuldenregelung, da NRW besonders viele betroffene Kommunen hat, das Bekenntnis zum Bonn-Berlin-Gesetz sowie der Industriestrompreis, der vor allem der energieintensiven Wirtschaft in NRW helfen soll.

Auch die Zusage, bis 2030 noch 20 Gigawatt an Leistung in zusätzlichen Gaskraftwerken auszubauen, entspricht laut Wüst den wesentlichen Forderungen aus NRW. Bei vielen schwarz-roten Plänen müssen in den nächsten Monaten und Jahren allerdings noch entscheidende Knackpunkte und viele Details geklärt werden.

Die Personen: Wer aus NRW wird was?

Im Moment dreht sich vieles um den Koalitionsvertrag. Aber gemacht wird die Politik von Menschen. Und da sind noch viele Fragen offen. Stimmen die SPD-Mitglieder der Koalition zu? Wie entwickelt sich die seit Wochen schlechte Stimmung an der CDU-Basis auch in NRW weiter? Und die Anfang Mai geplante Kanzlerwahl im Bundestag ist ebenfalls eine Hürde.

Es ist eine geheime Wahl. Merz-Skeptiker aus der Union könnten dabei offene Rechnungen begleichen. In Teilen der SPD ist Merz seit vielen Jahren nahezu verhasst. Stimmen einige SPD-Abgeordnete dagegen, den unbeliebten CDU-Chef zum Kanzler zu machen? Allzu üppig ist die schwarz-rote Mehrheit nicht.

Personalspekulationen gibt es viele: Aus der NRW-SPD werden der Sauerländer Dirk Wiese (Justiz) und die Duisburgerin Bärbel Bas (Arbeit) für Kabinettsposten gehandelt. Und was wird aus Entwicklungsministerin Svenja Schulze (Münster)? Auf CDU-Seite gilt Generalsekretär Carsten Linnemann (Paderborn) als Anwärter auf das Wirtschaftsministerium.

Ex-Ministerpräsident Armin Laschet (Aachen) hat sich selbst mehr oder weniger direkt als Außenminister ins Gespräch gebracht - vielleicht etwas übereilt? Und auch die Namen von NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann und Bauministerin Ina Scharrenbach liest und hört man.

Und was heißt das für Schwarz-Grün in NRW?

Falls tatsächlich eine oder mehrere Landesminister nach Berlin wechseln, muss Ministerpräsident Wüst rund zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl sein Kabinett umbilden. Zugleich muss Wüst wohl anders kommunizieren als in den letzten Jahren. Nachdem er seit Ende 2021 politisch Stimmung gegen die Ampel im Bund machen konnte, dürfte Wüst gegenüber einer Merz-Regierung einen anderen Tonfall anschlagen.

Die Grünen in NRW müssen ihre Haltung zur nächsten Bundesregierung noch finden. Wirtschaftsministerin Mona Neubaur lobt die geplanten Sonderabschreibungen für Unternehmen sowie den Erhalt des Deutschlandtickets, ihr früherer Co-Landeschef in NRW, Felix Banaszak, koffert in Berlin hingegen schon hart in typischer Oppositionsmanier gegen Schwarz-Rot ("große Enttäuschung").

Politik-Professor Thomas Poguntke von der Uni Düsseldorf erwartet eine Verschiebung innerhalb der schwarz-grünen Koalition: "Landeskoalitionen sind immer dann im Vorteil, was ihren bundespolitischen Einfluss angeht, wenn es ‚gleichfarbige‘ Koalitionen im Bund gibt." Bislang hätten die Grünen direkten "Zugang" zur Bundesregierung gehabt, jetzt könne die Partei des Ministerpräsidenten dies tun, die zugleich der deutlich stärkere Koalitionspartner im Land ist. Poguntkes Einschätzung zur Rolle von NRW: "Unter dem Strich verbessert sich also die bundespolitische Einflussmöglichkeit etwas."

Über dieses Thema berichtet der WDR am 10.04.2025 auch in Hörfunk und Fernsehen.

Unsere Quellen:

  • Wüst bei Pressestatement in Düsseldorf
  • Ott und Poguntke auf Anfrage
  • eigene Recherchen
  • Nachrichtenagenturen dpa und Reuters

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