Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Saskia Esken bei der Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag

Koalitionsvertrag: Die wichtigsten Punkte für NRW

Stand: 09.04.2025, 18:05 Uhr

Wirtschaft, Kommunen, Umwelt, innere Sicherheit und Migration. Der Koalitionsvertrag steht und einiges dürfte sich ändern. Was darin ist besonders relevant für NRW? Erste Reaktionen von Politik und Verbänden.

Von Sabine TentaSabine Tenta

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist da - und die Auswirkungen für NRW zeichnen sich bei einigen Weichenstellungen ab. Sowohl der NRW-Ministerpräsident, als auch die Opposition im Land haben sich bereits geäußert.

Das sind einige zentrale Punkte und Einschätzungen von Politik und Verbänden in NRW:

Altschulden-Regelung für die Kommunen

Hendrik Wüst (2023)

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)

Ein halbes Jahr vor den Kommunalwahlen im Land gibt es ein wichtiges Signal aus Berlin: Eine Lösung zur Entlastung verschuldeter Kommunen. Bund und Länder teilen sich die Entlastungen jeweils zur Hälfte, eine weitere Unterstützung betroffener Länder ist im Rahmen des Finanzausgleichs vorgesehen. Hier herrschte zuletzt noch Unklarheit.

Hendrik Wüst, CDU-Landesvorsitzender und NRW-Ministerpräsident begrüßte, dass es nun "endlich Verbindlichkeit und ein klares Bekenntnis des Bundes zur Übernahme von Verantwortung" gebe. "Die Zusage einer hälftigen Beteiligung des Bundes an unserem Entschuldungsprogramm ist ein erster wichtiger Schritt hin zu einer dauerhaften Lösung der Altschuldenproblematik."

Innere Sicherheit: mehr Rechte für Behörden

Noch am Mittwochvormittag hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des aktuellen NRW-Verfassungsschutz-Berichts eine Speicherung der IP-Adressen gefordert. Diese können bei der Verfolgung von Straftaten im Netz helfen. Wenige Stunden später ist klar: Union und SPD vereinbaren eine Speicherpflicht für drei Monate. Weitere Ausweitungen der Rechte für die Sicherheitsbehörden sind, wie von Reul gewünscht, vorgesehen.

Maßnahmen, die auch vom CDU-Landesvorsitzenden Hendrik Wüst, begrüßt wurden: "Endlich kommt auch die Speicherpflicht für IP-Adressen. Damit bekommen unsere Sicherheitsbehörden ein neues Instrument im Kampf gegen Terrorismus, Organisierte Kriminalität und Kindesmissbrauch."

Wirtschaft: Der Industriestrompreis kommt

NRW gilt als Industrieland mit vielen energieintensiven Betrieben - die Stahlindustrie ist da nur ein Beispiel. So gab es in den letzten Monaten wohl kaum eine Veranstaltung von Wirtschaftsvertretern in NRW, bei der nicht über die hohen Energiepreise geklagt wurde.

Immer wieder wurde ein Industriestrompreis gefordert. In der alten Bundesregierung war dieser stets am Widerstand der FDP gescheitert - nun soll er kommen. Und eine weitere gebetsmühlenartig vorgetragene Forderung der Wirtschaft wird erhört: Die Stromsteuer wird auf das EU-Mindestmaß abgesenkt.

Hendrik Wüst lobte insbesondere die Vereinbarungen in der Energiepolitik und zum Abbau von Bürokratie, die sich die künftige Bundesregierung vorgenommen haben. "Sie werden die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und unserer Industrie stärken." Dies müsse nun schnell und konsequent umgesetzt werden.

Auch der NRW-SPD-Co-Vorsitzende Achim Post sieht in den Berliner Vereinbarungen gute Chancen auf eine substanzielle Stärkung der Wirtschaft: "Mit der Senkung der Energiekosten für Unternehmen machen wir Deutschland wettbewerbsfähiger und sichern zugleich Millionen Arbeitsplätze – gerade in einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen." Durch einen "Investitionsbooster" in den Jahren 2025, 2026 und 2027 werde der Standort Deutschland zusätzlich deutlich attraktiver.

Grüne NRW: "Desaströse Nachricht für den Umweltschutz"

Tim Achtermeyer, Landesvorsitzender NRW Grüne, Archivbild: 03.06.2023

Tim Achtermeyer

Die Landesvorsitzenden der Grünen NRW, Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer, teilen in einer gemeinsamen Erklärung mit, die Einigung von Union und SPD sei "eine desaströse Nachricht für den Klimaschutz". Die künftigen Koalitionäre "reißen mit dem Hintern ein, was wir Grünen in den vergangenen Jahren aufgebaut haben".

Ihrer Auffassung nach besteht eine große Diskrepanz zwischen der Lage und den Maßnahmen: "Während aktuell eine Dürre Rhein und Ruhr austrocknet, Ernteverluste, Waldbrände und wirtschaftliche Einbußen drohen, feiern Friedrich Merz und Lars Klingbeil in Berlin eine fossile Party und pusten fröhlich CO2 in die Luft."

BUND NRW: "ein ökologischer Offenbarungseid"

Ähnlich kritisch äußerte sich der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen. Der Klimaschutz werde abgeschwächt. Die Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie die Klagerechte von Umweltverbänden "sollen ausgehebelt werden", beklagte Jansen. "Das ist ein ökologischer Offenbarungseid und wirft uns deutlich zurück." Als konkretes Beispiele für diesen Rückschritt nannte Jansen, dass "ausgerechnet der besonders klimaschädliche Luftverkehr" durch den Wegfall von Steuern, Gebühren und Abgaben gefördert werden soll. "Den zukünftigen Hobbypiloten im Kanzleramt wird's freuen", so sein Kommentar.

Dirk Jansen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland

Dirk Jansen

Zudem sieht der BUND NRW eine Schwächung des Klimaschutzes durch "windige Rechentricks": "So sollen kaum nachprüfbare Maßnahmen in außereuropäischen Ländern anrechenbar werden, ebenso negative Emissionen." Mit der Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (CCS) "soll eine klimaschutzpolitische Scheinlösung" etabliert werden. Einzig für die Beibehaltung des Deutschlandtickets fand der BUND eine lobende Erwähnung.

Pro Asyl: "Rückschrittskoalition gegen Menschenrechte und Humanität

Die Organisation Pro Asyl zeigte sich "alarmiert" über die Ergebnisse. Ihr Geschäftsführer Karl Kopp spricht von einer "Rückschrittskoalition gegen Menschenrechte und Humanität". Das zeige sich insbesondere an den geplanten Zurückweisungen von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen, für Pro Asyl ist dies "weiterhin europa- und verfassungswidrig".

Ebenfalls kritikwürdig ist für die Organisation, dass künftig neu ankommende ukrainische Flüchtlinge wieder unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen sollen und kein Bürgergeld erhalten. Das bedeute nicht nur weniger Leistungen, sondern auch eine schlechtere medizinische Versorgung. Auch die vereinbarte Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige lehnte Pro Asyl ab.

Unsere Quellen:

  • Mitteilungen der NRW-CDU, NRW-SPD und NRW-Grünen
  • BUND NRW auf Anfrage
  • Pressemitteilung von Pro Asyl
  • Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD