Die Causa Limbach: Richterposten rechtswidrig besetzt
Aktuelle Stunde. 05.10.2023. Verfügbar bis 05.10.2025. WDR. Von Bernd Neuhaus.
Justizminister weist Vorwürfe wegen Postenbesetzung zurück - Fragen bleiben offen
Stand: 06.10.2023, 11:36 Uhr
Hat Benjamin Limbach rechtswidrig in die Besetzung eines Richterpostens eingegriffen? Ein Gericht sagt ja. Der Justizminister hat das nun bestritten. An wichtigen Stellen gibt es aber Erinnerungslücken.
Von Christian Wolf
NRW-Justizminister Benjamin Limbach sieht sich seit Tagen schweren Vorwürfen ausgesetzt. Der Grünen-Politiker soll "rechtswidrig" und "manipulativ" in die Besetzung eines Richterpostens eingegriffen haben. Das sagt nicht die Opposition, sondern das Verwaltungsgericht Münster. Für einen Justizminister eine ziemlich problematische Aussage.
Aus diesem Grund fand am Donnerstag eine Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag statt. Über mehrere Stunden musste Limbach dort Rede und Antwort stehen. Dabei wies er mehrfach die Vorwürfe zurück. Allerdings kamen auch neue Fragen auf, die der Minister nur zum Teil beantworten konnte.
Besetzungsverfahren auf Eis gelegt
Zunächst ging Limbach aber auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster ein. Das hatte vergangene Woche dem Land untersagt, den vakanten Posten des Präsidenten am Oberverwaltungsgericht Münster mit Limbachs Wunschkandidatin zu besetzen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Das Land hat Beschwerde eingelegt.
Limbach ordnete ein, dass er unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Sommer 2022 erfahren habe, dass es einen Vorschlag zur Besetzung des Postens gebe, aber noch keine Entscheidung. Da es sich um eine wichtige Position handele, habe er Zeit haben wollen, um sich mit der Thematik zu befassen. Das Verfahren ging deshalb nicht weiter.
Monate später meldete sich noch eine zusätzliche Bewerberin, die dann auch stattdessen als Kandidatin ausgesucht wurde. Einen Zusammenhang mit der Entscheidung im Sommer, das Verfahren quasi auf Eis zu legen, bestritt Limbach am Donnerstag. Es habe "keinerlei Überlegungen im Hinblick auf mögliche weitere Bewerber im Allgemeinen oder gar die später tatsächlich hinzugekommene Bewerbung im Besonderen" gegeben. "Ich hatte schlicht in diesem Moment nicht die Möglichkeit, mich zeitnah mit einem so wichtigen und komplexen und bereits seit über einem Jahr betriebenen Vorgang adäquat zu befassen", sagte er.
Bekanntschaft, aber keine Befangenheit
Im Ausschuss räumte Limbach auf Nachfrage ein, dass er die zusätzliche Bewerberin - genauso wie einen anderen Kandidaten - aus der gemeinsamen Zeit als Richter kenne, dass sie sich duzen würden, aber "kein Näheverhältnis" bestehe. Es gebe "keinen Grund" für eine Befangenheit.
Zudem wurde bekannt, dass er sich mit der Frau nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt zu einem Abendessen getroffen und sie dabei Interesse an der Stelle bekundet hat. An mehr könne er sich nicht erinnern, versicherte der Minister. Zum Beispiel nicht, wer das Abendessen vorgeschlagen habe. Auch die Frage, ob es noch weitere Treffen oder Gespräche gab, blieb offen. Dazu habe er "keine konkrete Erinnerung" und könne dies "weder bestätigen noch ausschließen".
Das Verfahren pausierte in den Wochen nach dem Abendessen - laut Limbach deshalb, weil er sich mit anderen Dingen beschäftigen musste und nicht dazu gekommen sei. Im September kam dann die offizielle Bewerbung der Frau. Danach wurde das Verfahren weiterbetrieben.
Angeblich keine Weisung oder Vorgabe
Im Zuge dessen fertigte das Justizministerium eine sogenannte Überbeurteilung über die Frau an, wofür es laut dem Verwaltungsgericht aber gar keine Befugnis hatte, weil sie gar nicht in der NRW-Justiz arbeitet. Limbach verwies am Donnerstag auf eine Verordnungsänderung aus 2022, laut der das Justizministerium sehr wohl die Kompetenzen für solche Beurteilungen bei externen Bewerbern habe. Denn: Die Frau arbeitet seit Jahren im Innenministerium.
Er habe intern "keine Weisung" erteilt, die Frau "in irgendeiner Weise in diesem Prozess zu bevorzugen", sagte Limbach. Der zuständige Abteilungsleiter aus dem Justizministerium bestätigte, dass es keine "inhaltliche Vorgabe" gegeben habe.
Kritik an Limbach von SPD und FDP
Nach der Sondersitzung gingen die Bewertungen erwartungsgemäß auseinander. "Meiner Meinung nach lag eine Befangenheit vor", sagte der rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, Werner Pfeil. Limbach habe sich aus dem Verfahren zurückziehen müssen. Sein Verhalten sei "unverantwortlich" und schade dem Amt.
Der SPD-Abgeordnete Sven Wolf sagte: "Der Minister hat das Verfahren offen gehalten, damit seine Freundin sich bewerben konnte. Er hat sich hier um Kopf und Kragen geredet." Dem widersprach der CDU-Abgeordnete Jörg Geerlings. Die Fragen seien klar und eindeutig beantwortet worden.
Ärger auch wegen Cum-Ex-Ermittlungen
Die Oppositionsfraktionen von SPD und FDP beantragten unterdessen eine weitere Sondersitzung des Rechtsausschusses - diesmal zum Thema Cum-Ex. Die soll am 12. Oktober stattfinden.
Denn Limbach steht noch wegen einer zweiten Sache in der Kritik: Vergangene Woche hatte der Justizminister angekündigt, dass das Team der Kölner Staatsanwaltschaft rund um die milliardenschweren Cum-Ex-Steuertricks von Bankern, Beratern und Aktienhändlern aufgespalten wird. So soll eine zweite Abteilung mit einer zusätzlichen Leitung gegründet werden. Am Ende soll es zwei Cum-Ex-Teams mit zwei Führungen in Köln geben. Limbach sagt, dass das für Entlastung der bisherigen Leiterin, der hochgelobten Cum-Ex-Ermittlerin Brorhilker, sorgen soll.
Personalvertreter mit Misstrauen
Der zuständige Kölner Generalstaatsanwalt hatte sich gegen diese Umstrukturierung ausgesprochen. Doch nicht nur das. Die Personalvertretung von NRWs Strafverfolgern fühlt sich nach WDR-Recherchen vom Minister getäuscht. In einem Schreiben heißt es, die Vermutung liege nahe, "dass Sie uns über wesentliche Vorgänge in Sachen Umorganisation der betroffenen Hauptabteilung absichtlich nicht informiert haben".
Denn: Im Gespräch mit dem Hauptstaatsanwaltsrat soll Limbach erklärt haben, damit noch nicht befasst gewesen zu sein. Nur einen Tag später jedoch berichtete das "Manager-Magazin" erstmals über eine mögliche Entmachtung der Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker.
Zur Abwendung einer "schweren Störung der Vertrauensgrundlage" verlangen die Personalvertreter vom Minister detaillierte Auskünfte, wer was wann wusste. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dem Minister sei ein Schreiben mit der neuen Organisationsstruktur erst nach dem Gespräch zugeleitet worden. Unbeantwortet blieb aber die Frage, ob Limbach jenseits des offiziellen Berichts von den Plänen wusste.
Oberstaatsanwältin widerspricht Limbach
Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker
Und auch Brorhilker selbst hat Ärger mit dem Minister. Limbach hatte nämlich im August angegeben, die Staatsanwaltschaft Köln habe die Übermittlung von Unterlagen an einen Untersuchungsausschuss in Hamburg verschleppt. Ein interner Bericht von Brorhilker an die Personalvertretung widerspricht jedoch nach WDR-Recherchen der Darstellung des Ministers. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" schreibt angesichts dessen, Brorhilker habe "zum Gegenschlag ausgeholt".
Über das Thema berichten wir am 05.10.2023 u.a. im Westblick auf WDR 5.