Warum die Postkarte langsam stirbt | WDR Aktuell 02:44 Min. Verfügbar bis 08.03.2027

Briefdienst-Aus in Dänemark: Warum die Postkarte langsam stirbt

Stand: 08.03.2025, 16:45 Uhr

Seit Jahren werden immer weniger Briefe und Postkarten verschickt. In Dänemark hat das Konsequenzen: Dort stellt die Post ihren Briefdienst ein und baut die Briefkästen ab. Ein Vorbild für Deutschland?

Von Ingo Neumayer

"Liebe Oma! Hier auf Mallorca ist es sehr schön. Wir gehen jeden Tag schwimmen, essen viel Tortilla und Tapas, und Papa singt lustige Lieder, wenn er abends nach Hause kommt. Gestern haben wir fast einen Delfin gesehen. Viele Grüße, dein Torben." Lange Jahre hatte sie Tradition: Die Postkarte aus dem Urlaub an die Zuhausegebliebenen.

Doch das wird es in Dänemark künftig seltener geben. Denn die staatliche Post in dem Land stellt ab 2026 keine Postkarten und keine Briefe mehr zu. Öffentliche Briefkästen werden abgebaut, rund 1.500 Stellen gestrichen. Das Unternehmen Postnord will sich auf das lukrativere Paketgeschäft konzentrieren.

90 Prozent weniger Briefe und Postkarten verschickt als im Jahr 2000

Denn die Leute schreiben immer weniger Briefe und Postkarten. Um 90 Prozent sei die Zahl seit dem Jahr 2000 gesunken, teilte Postnord mit. Viele offiziellen Schreiben von Behörden und Firmen werden inzwischen digital versendet, und auch Privates wird immer mehr per Handy anstatt per Karte oder Brief mitgeteilt.

Um das auszugleichen, wurde das Porto dort zuletzt immer weiter erhöht. Derzeit kostet eine Sendung innerhalb des Landes umgerechnet 3,85 Euro. Und wenn man einen Brief oder eine Karte von Dänemark nach Deutschland schicken will, sind sogar 6,70 Euro fällig. Ganz auf Post müssen die Dänen aber auch in Zukunft nicht verzichten. Ein privater Anbieter soll einen Teil der Dienste übernehmen.

Deutsche Post: Wollen noch viele Jahre Briefe zustellen

Keine Postkarten, keine Briefe, kein täglicher Gang mehr zum Briefkasten: Ist das ein Modell, das auch in Deutschland bald Wirklichkeit werden könnte? Zumindest nicht so schnell wie in Dänemark. Denn dort wurde 2024 das Postgesetz geändert, das die Beförderungspflicht aufhob. Zudem wurden staatliche Zuschüsse gestrichen.

In Deutschland hingegen wurde zwar in der letzten Novelle des Postgesetzes beschlossen, das Porto für Briefe und Postkarten auf 95 Cent zu erhöhen. Gleichzeitig wird aber das Ziel vorgegeben, einen "flächendeckenden Universaldienst" sicherzustellen. "Trotz Mengenrückgangs bleibt der Brief in Deutschland wichtig und wir gehen davon aus, dass wir auch noch viele Jahre in Deutschland Briefe bearbeiten und zustellen werden", sagte die Deutsche Post auf WDR-Anfrage.

In Deutschland blieben die Briefkästen vorerst hängen | Bildquelle: Petra Steuer / WDR / picture alliance / JOKER

Auch in Deutschland werden Jahr für Jahr weniger Briefe und Postkarten versendet. Laut den neuesten Zahlen der Bundesnetzagentur wurden 2022 11,67 Milliarden Sendungen verschickt. Fünf Jahre zuvor waren es noch 14,90 Milliarden. Für die Post bedeutet das Umsatzrückgänge und Gewinneinbrüche. So hat der Konzern am Donnerstag angekündigt, bis Jahresende 8.000 Stellen zu streichen. Betroffen ist dabei der Bereich "Post & Paket" - sprich: Briefträgerinnen und Postboten.

Porto ist in Deutschland günstig im europäischen Vergleich

Dass die Zahlen der beförderten Briefmengen in Deutschland zwar stetig schrumpfen, aber eben lange nicht so stark eingebrochen sind wie in Dänemark, dürfte an zwei Faktoren hängen. Einerseits ist das Porto in Deutschland (derzeit 95 Cent für Briefe und Postkarten) relativ günstig. im Vergleich mit den anderen EU-Ländern sowie Großbritannien, Island, Norwegen und der Schweiz liegt man damit auf Platz 23 von 31.

Digitalisierung lahmt: Amtsbriefe auf Papier statt digital

Postkarten: Bald ein Relikt wie Tonbänder und Schallplatten? | Bildquelle: dpa Picture-Alliance / Hauke-Christian Dittrich

Und andererseits ist die Digitalisierung hierzulande lange nicht so weit fortgeschritten wie in Dänemark, wo Behördengänge wie Wohnortwechsel, Autoregistrierung, Schulplatzameldung oder Steuererklärung zum Großteil digital erledigt werden. Im "Digital Economy and Society Index", einem Ländervergleich der EU, steht Dänemark ganz oben, wenn es um die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft geht. Deutschland hingegen dümpelt im Mittelfeld.

Und so lange die Kommunikation mit Ämtern, Behörden und Unternehmen nicht zuverlässig digital funktioniert, kann die gesellschaftliche Teilhabe hierzulande eben noch nicht komplett ins Internet verlegt werden. Das kommt besonders vielen älteren Menschen entgegen. Und manchmal eben auch einen Urlaubsgruß des Enkels. Auch wenn die immer seltener werden. Oder? Wann habt Ihr zuletzt eine Postkarte bekommen?

Postkarten-Nostalgie – Wer schreibt noch Urlaubskarten? WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 26.07.2024 08:21 Min. Verfügbar bis 26.07.2025 WDR 5

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Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa, AP
  • Postnord
  • Deutsche Post
  • Postgesetz Novelle der Bundesregierung
  • Bundesnetzagentur
  • EU-Report "Digital Economy and Society Index"