Pferde auf Sophienhöhe ausgewildert |sv
00:28 Min.. Verfügbar bis 13.06.2026.
Erste Wildpferde im Rheinischen Revier
Stand: 13.06.2024, 15:08 Uhr
Auf einer rekultivierten Halde am Tagebau Hambach sind am Donnerstag erstmals Pferde ausgewildert worden. Die Tiere sollen nicht nur die Artenvielfalt bereichern, sondern sie auch erhalten.
Von Stephan Pesch
Es ist noch früh am Morgen auf der Sophienhöhe, einer etwa 200 Meter hohen Tagebauhalde zwischen Elsdorf, Jülich und Niederzier. Mitten auf einer großen Wiese schauen mehrere Pferde neugierig über den Zaun einer Koppel. Es sind so genannte Konik-Pferde.
Ein Hengst, zwei Stuten und einige Fohlen und Jährlinge - alle nicht viel größer als Ponys. Dafür sind es robuste und widerstandsfähige Tiere, die auch kühles und regnerisches Schmuddelwetter vertragen, weiß Patrick van den Burg.
Eine Herde Konik-Pferde auf der Sophienhöhe
Der 61-jährige Niederländer arbeitet für die Stiftung Free Nature und schaut nach, ob die Pferdchen ihre erste Nacht auf der Sophienhöhe gut überstanden haben. Am Abend zuvor kamen sie aus den Niederlanden ins Rheinische Revier. Gleich soll sich das Tor der Koppel öffnen. Dann geht es für die Herde ab in die Freiheit.
Wildpferde sollen Artenvielfalt sichern
Wildpferde als natürliche Rasenmäher
Angestoßen hat das Wildpferde Pilotprojekt Gregor Eßer. Der 53-jährige Biologe leitet die Forschungsstelle Rekultivierung des Energiekonzerns RWE mit Sitz in Bergheim - und die Sophienhöhe ist quasi seine Visitenkarte. Seit 1988 hat sich die ehemalige Tagebauhalde in eine grüne Oase gewandelt, in dem viele Tier - und Pflanzenarten eine neue Heimat gefunden haben.
Die Konik-Pferde sollen den künstlich geschaffene Naturraum am Rand des Tagebaus Hambach jetzt ergänzen. Die Herde erhält in einem ersten Schritt einen rund 30 Hektar großen Lebensraum. Hier sollen die Tiere vor allem eines: Grasen - und zwar zum Erhalt der Artenvielfalt.
Natürliche Rasenmäher auf der Sophienhöhe
Das größte Biotop auf der Sophienhöhe ist eine weite Graslandschaft - die Heimat vieler Insektenarten. "Damit diese Landschaft nicht unkontrolliert zuwuchert, braucht es quasi ständig Rasenmäher", sagt Gregor Esser. Und diese Rasemäher hat der Leiter der Bergheimer Forschungsstelle Rekultivierung in den benachbarten Niederlanden bei "Free Nature" gefunden.
Die Naturschützer haben sich zum Ziel gesetzt, die europäischen Ökosysteme wieder herzustellen, sagt Patrick van den Burg. Die Stiftung hat Erfahrung. Das Projekt auf der Sophienhöhe ist nur eines von mittlerweile über 50 in Europa.
Die Konik-Pferdchen sollen sich auf der Sophienhöhe vermehren - jedoch unter Aufsicht. Nur ein Hengst, einige Stuten und ein paar Jungtiere. Ansonsten gibt es Stress in der Herde - und den wollen die Naturschützer auf keinen Fall. Auch RWE nicht. Die 30 Hektar sind umzäumt, damit einzelne Tiere nicht in den benachbarten Tagebau Hambach eindringen.
"Team Vorsicht" auf der Sophienhöhe
Patrick van den Burg (l.) und Gregor Eßer (r.)
Dann ist es soweit: Die Tore der Koppel öffnen sich und den Konik-Pferden steht die weite Graslandschaft der Sophienhöhe offen. Noch etwas vorsichtig tippelt der Leithengst aus der Koppel. Die Herde trottet mit etwas Abstand hinterher. Sie alle lassen es gemütlich angehen. Einige Tiere grasen noch etwas, andere drehen ihre Köpfe. Dann geht es los auf Erkundungstour.
Das Leben in der freien Wildbahn sind die Tiere gewohnt, denn bislang war die Herde auf einer großen Wiese im niederländischen Limburg zuhause - ohne dass sich Menschen sich groß um sie kümmern mussten, sagt Patrick van den Burg von der Stiftung Free Nature.
Der Niederländer will in den kommenden Monaten regelmäßig auf die Sophienhöhe kommen und dort nach seinen Auswanderern schauen. Aber die Stiftung ist zuversichtlich, dass sich die Koniks hier vermehren werden: Was in Limburg klappe, werde auch im Rheinland klappen, sagt Patrick van den Burg.
Wildpferde als Attraktion
Auf der Sophienhöhe sollen die Koniks später einmal einen Lebensraum von bis zu 500 Hektar erhalten, sagt Gregor Eßer. Vergleichbar mit der Fläche, die den Wildpferden von Dülmen zur Verfügung steht.
Als "Stadt der Wildpferde" ist Dülmen weit über die Grenzen von Nordrhein-Westfalen bekannt. Erstmals im Jahr 1316 urkundlich erwähnt, leben hier noch heute rund 400 Pferde das ganze Jahr über weitgehend naturbelassen und eigenständig im Herdenverbund. Im Frühjahr bieten die herumtollenden Fohlen ein ganz besonderes Schauspiel für Besucherinnen und Besucher.
Darauf hofft auch Gregor Eßer. Die Natur auf der Sophienhöhe ziehe bereits jetzt jährlich viele Menschen an, die hier auf den Wegen wandern und sich in der Natur erholen wollen, sagt der Leiter der Forschungsstelle Rekultivierung. Die ersten Wildpferde im Rheinischen Revier sollen ein zusätzlicher Anziehungspunkt werden.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 13.06.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit aus Köln und im Radio auf WDR 2.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter-Recherche
- RWE "Forschungsstelle Rekultivierung"
- Stiftung Free Nature
- Stadt Dülmen