Polizei und Staatsanwaltschaft vermuten Auseinandersetzungen in der organisierten Kriminalität als Hintergrund der jüngsten Explosionsserie in Köln und anderen NRW-Städten. "Es gibt offensichtlich im Milieu offene Rechnungen, die noch beglichen werden", erklärte der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser. Verbindungen zur organisierten Kriminalität in den Niederlanden ließen sich teilweise belegen. Ermittlungserfolge könnten allerdings noch nicht präsentiert werden.
Um welche Taten geht es?
- 25. September: Schüsse auf Wohnhaus in Solingen.
- 18. September: Vor einem Modegeschäft in der Kölner City explodiert erneut ein Sprengsatz.
- 16. September: Explosion vor dem Nachtclub "Vanity" in der Kölner Innenstadt.
- 19. August: Detonation vor einem Wohnhaus im Hafenviertel von Düsseldorf.
- 12. August: Explosion vor Wohnhaus in Köln-Zündorf.
- 30. Juli: Explosion im Eingangsbereich der Wohnsiedlung "Kölnberg" im Stadtteil Meschenich.
- 11. Juli: In der Düsseldorfer Innenstadt explodiert ein Sprengsatz vor einem Geschäftshaus.
- 5. Juli: Spezialkräfte der Polizei dringen in ein Wohnhaus in Köln-Rodenkirchen ein. Die Beamten befreien eine Frau und einen Mann aus Bochum aus der Gewalt ihrer Entführer. Vier Verdächtige werden festgenommen.
- 5. Juli: Ein Sprengsatz explodiert vor einem Haus in Duisburg-Hochemmerich.
- 1. Juli: Explosion vor der Haustür eines Mehrfamilienhauses in Engelskirchen-Loope
- 30. Juni: Zwei Sprengkörper explodieren vor Wohnhäusern in den Kölner Stadtteilen Mülheim und Buchforst
- 29. Juni: Vor einem Wohnhaus in der Keupstraße in Köln-Mülheim kommt es zu einer Explosion.
- 25. Juni: Ein 17-Jähriger aus den Niederlanden lässt in der Solinger City eine Flasche auf dem Gehweg fallen, daraufhin explodiert das Gemisch. Der Jugendliche stirbt, vier Personen werden verletzt.
Welchen Hintergrund haben die Anschläge?
Die Ermittler gehen davon aus, dass ein missglückter Drogendeal die Serie von Anschlägen ausgelöst hat. Wie der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am 19. September 2024 bei einer Pressekonferenz erklärte, geht es um insgesamt 300 Kilogramm Cannabis, die offenbar nicht bezahlt wurden. Die Gruppierung, die um diese Drogen geprellt worden sei, versuche nun, das Cannabis zurückzubekommen oder Schadenersatz zu erhalten. Mutmaßlich seien Drogenhändler aus den Niederlanden in die Anschläge verwickelt.
Gehen alle Explosionen auf das Konto derselben Bande?
Das ist noch nicht bekannt. Nachdem Unbekannte am 21. September 2024 Schüsse auf ein Uhrengeschäft im Kölner Stadtteil Niehl abgegeben hatten, war zunächst über eine Verbindung zur aktuellen Anschlagsserie spekuliert worden. Inzwischen hat die Polizei mitgeteilt, dass die Schüsse offenbar auf Streitigkeiten im Rockermilieu zurückgehen. Bei anderen Vorfällen ist noch nicht sicher, dass sie tatsächlich alle auf Konflikte unter Drogenhändlern zurückgehen. Auch der explodierte Brandsatz in einem Café im Köln-Pesch am 25. September 2024 soll laut Polizei nichts mit dem Streit unter Drogenhändlern zu tun haben.
Denkbar ist auch, dass Kriminelle die Explosionen für ihre eigenen Zwecke nachahmen. In den Niederlanden jedenfalls würden Explosionen mit Feuerwerk und selbst gebastelten Sprengsätzen mittlerweile weit über das Drogenmilieu hinaus ausgeführt, sagt Kriminologe Cyrille Fijnaut. Dort gehe es um 500 bis 600 Detonationen jährlich.
Gibt es Tatverdächtige?
Nach dem Entführungsfall von Köln-Rodenkirchen wurden vier Tatverdächtige festgenommen. Sie sitzen in U-Haft und schweigen zu den Anschuldigungen. Am 17. Oktober 2024 wurde ein weiterer Verdächtiger in Gelsenkirchen gefasst. Nach Angaben der Kölner Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem Festgenommenen um einen 24 Jahre alten Mann. Laut einer Stellungnahme des Kölner Polizeichefs Michael Esser Mitte September werden die Ermittlungen dadurch erschwert, dass sich sowohl mutmaßliche Täter als auch ihre Opfer mit Informationen zurückhalten.
Sie seien "im eigenen Interesse nicht darum bemüht, in Vernehmungen die Karten offen auf den Tisch zu legen", erklärte Esser.
Darüber hinaus läuft eine internationale Fahndung nach einem jungen Mann, der den Sprengkörper vor dem Kölner Nachtclub platziert haben soll. Die Polizei hat Bilder einer Überwachungskamera veröffentlicht. Die Polizei vermutet, dass der Mann für die Tat nach Deutschland eingereist ist, das Land aber schon wieder verlassen hat.
Ist die "Mocro-Mafia" verantwortlich?
Immer wieder fällt im Zusammenhang mit den Gewalttaten der Begriff "Mocro-Mafia". Gemeint sind Drogenhändler aus den Niederlanden, die teils eine marokkanische Herkunft haben. Oberstaatsanwalt Bremer distanzierte sich jedoch von dieser Darstellung. "Mocro-Mafia" sei zwar "ein griffiger Begriff für die Medien", aber nichts, mit dem man strafrechtlich arbeite. "Wir ermitteln wegen bandenmäßigen Handelns", sagte Bremer.
Unsere Quellen:
- Polizei und Staatsanwaltschaft Köln
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- WDR-Reporter
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 25.09.2024 auch im Fernsehen - zum Beispiel hier: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.
Hinweis der Redaktion zum Begriff "Mocro-Mafia": Auch wir verwenden diese Bezeichnung, weil sie weit verbreitet ist. Da die Bezeichnung umstritten ist, setzen wir sie in Anführungszeichen. Denn anders als der Name suggeriert, besteht das Netzwerk den Daten zufolge nicht ausschließlich aus Mitgliedern mit marokkanischen Wurzeln. Vielmehr handelt es sich um multinationale Banden, die etwa Kontakt zu spanischen Kriminellen halten und vor allem Geschäfte mit Kokain und Cannabis machen.