Viele Pendler, volle Autobahnen
Eine Ursache für das schlechte Abschneiden NRWs bei der Staubilanz sind die vielen Pendler. Gleich drei NRW-Städte sind unter den Top 10 Pendlerstädten in Deutschland: Köln, Düsseldorf und Essen.
Dass es so viele Pendler gibt, hat laut IT.NRW mit den steigenden Mieten in Ballungszentren zu tun. Hohe Mieten hätten Verdrändungseffekte ins Umland ausgelöst und somit Arbeitswege verlängert. Helfen könnte ein Ausbau des ÖPNV auch in ländlichen Gebieten. Zudem könnten Unternehmen ihre Mitarbeiter häufiger im Homeoffice arbeiten lassen, wenn die Arbeit auch von zu Hause erledigt werden kann.
Kritik des ADAC an Baustellendichte
Weitere Gründe für die vielen Staus:
- Verkehrsüberlastung zum Start in die Ferien oder ins lange Wochenende
- Rushhours auf den Autobahnen
- Viele Baustellen in NRW.
"Es gibt einen riesigen Sanierungsstau in NRW, der jetzt abgearbeitet wird. Das führt zum Leidwesen der Autofahrer zu erheblichen Staus und großer Frustration", sagt der ADAC-Verkehrsexperte Prof. Roman Suthold. Die Maßnahmen seien "alternativlos". Aber, so sagt Suthold: "Die Autobahn GmbH des Bundes, die Landesbehörde Straßen.NRW und die Kommunen müssen ihre Aktivitäten zeitlich besser aufeinander abstimmen."
Er fordert außerdem, dass die maroden Brücken in höchstem Tempo repariert oder ersetzt werden. Ansonsten drohten Totalausfälle. Ob das NRW-Verkehrsministerium das selbst gesteckte Ziel von 40 Brückensanierungen pro Jahr erreichen kann, ist aus Sicht des ADAC in NRW fraglich. Bauarbeiten sollten zeitlich besser abgestimmt werden.
Immerhin: Bereits jetzt finden Bauarbeiten auch nachts statt, um den Verkehrsfluss weniger zu stören. Mehr als 50 Prozent der sogenannten Tagesbaustellen auf stark befahrenen Strecken wird laut Straßen.NRW nachts abgewickelt, um den Pendelverkehr weniger zu beeinträchtigen.
Das Problem mit Lastwagen auf Autobahnen
Lastwagen spielen beim Stau-Geschehen häufig eine große Rolle. Denn wenn ein Lkw in einen Unfall verwickelt ist, dauern die Bergungsarbeiten häufig länger als bei Autounfällen. Ein Unfall-Risiko sind die Arbeitsbedingungen vieler Lastwagenfahrer. Oft müssen die Fahrer lange Strecken unter Zeitdruck hinter sich bringen und fahren übermüdet weiter. Eine Umfrage der Europäischen Transportarbeiter-Föderation hat ergeben, dass sich 60 Prozent der befragten Lkw-Fahrer regelmäßig müde fühlen. Jeder dritte Fahrer gibt an, bereits einmal am Steuer eingeschlafen zu sein.
Etwa vier Mal pro Tag ereignen sich auf deutschen Straßen Lkw-Unfälle, das geht aus der der Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2023 hervor. Bei 30 Prozent dieser Unfälle rast ein Lkw in ein Stauende. Die Folge: Viele Menschen sterben und der Stau verlängert sich noch mehr. Zwar sind mittlerweile Notbrems-Assistenten für neu zugelassene Lkw in der EU Pflicht, aber noch nicht für alle. Ab September 2025 treten strengere Regelungen in Kraft. Dann soll bei neueren Fahrzeugen zudem eine verbesserte Erkennung von Hindernissen und eine stärkere Bremswirkung verpflichtend sein. Um die Autobahnen in NRW freier und sicherer zu machen, wäre eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene eine Möglichkeit.
Viele Staus entstehen durch Unfälle
Doch längst nicht nur Lastwagen verursachen Unfälle. Unaufmerksame oder drängelnde Autofahrer können ebenfalls tragische Unfällen auslösen - und damit auch lange Staus. Der Einsatz von KI-basierter Unfallprävention könnte helfen und wird in Deutschland rege diskutiert.
Wenn der Stau nach einem Unfall aber erstmal passiert ist, kann er durch Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer noch verlängert werden. Zum Beispiel, wenn Verkehrsteilnehmer keine Rettungsgasse bilden, damit Krankenwagen, Polizei und Abschleppwagen zum Unfallort kommen. Bereits bei stockendem Verkehr ist die Rettungsgasse Pflicht. Zudem schleichen einige Autofahrer oft zu langsam an Unfällen vorbei, weil sie sich den Unfall anschauen wollen. Oftmals ist auch nur eine Spur frei, um am Unfall vorbeizukommen. Dafür müssen sich die Verkehrsteilnehmer im Reißverschlussverfahren auf eine Spur eingliedern, was vielen schwer fällt. Auch das zieht Staus unnötig in die Länge.
Tempolimit eine Lösung?
Hilft ein Tempolimit gegen Staus? Studien zufolge hat die Einführung des Tempolimits von 100 km/h tagsüber in den Niederlanden zu einer Verbesserung des Verkehrsflusses und zu weniger Staus geführt. Es gibt aber keine Belege dafür, dass es dadurch weniger Staus durch Unfälle gegeben hat. Die Deutsche Umwelthilfe fordert so ein Limit auch für Deutschland, um den Ausstoß von CO2 zu vermeiden.
Tempolimit gegen Staus?
Der ADAC hat 2024 eine Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt und gefragt, ob sie für ein Tempolimit auf deutschen Straßen sind. 40 Prozent haben sich dagegen ausgesprochen, 55 Prozent waren dafür. Fünf Prozent enthielten sich.
Hauptursache für Phantomstaus: Bremsen
Staus, die scheinbar aus dem Nichts entstehen, werden als Phantomstaus bezeichnet. Sie entstehen durch falsches Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Nach einem wissenschaftlichen Modell reicht es bei sehr starker Verkehrsdichte bereits aus, wenn ein einzelnes Auto trödelt oder zu stark bremst, um eine Kettenreaktion in Gang zu setzen. Während der Erste nur seine Geschwindigkeit verringert, muss der Zweite schon bremsen und der Dritte noch mehr. Dabei entsteht eine Kettenreaktion, die schließlich zu einem Stillstand und damit zu Stau führen kann.
Auch häufige Spurwechsel stören den Verkehrsfluss und bringen andere Fahrer dazu, öfter abbremsen zu müssen. Studien des Verkehrsforschers Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen zufolge hilft es dem Verkehrsfluss, wenn insgesamt weniger stark beschleunigt und abgebremst wird. Um das zu erreichen, könnte ein Tempolimit helfen.
Unsere Quellen:
- ADAC NRW
- IT.NRW
- Deutsche Umwelthilfe
- Umweltbundesamt
- Statistisches Bundesamt
Über dieses Thema berichtet der WDR am 06.02.2025 auch im Hörfunk und Fernsehen.