Corona-Impfdrängler in NRW bislang kein großes Problem
Stand: 11.05.2021, 20:45 Uhr
Immer häufiger gibt es Berichte über Menschen, die sich bei der Corona-Impfung vordrängeln wollen - trotz fehlender Priorisierung. Selbst vor Fälschungen schrecken sie offenbar nicht zurück. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und Hausärzte in NRW bewerten das Problem aber nur als gering.
Von Jörn Kießler
Die Dreistigkeit bei einigen Menschen ist offenbar grenzenlos, wenn es darum geht, möglichst schnell eine Impfung gegen das Coronavirus zu bekommen. So berichtet der Leiter des Kölner Impfzentrums von einer Familie, die erklärt habe, sie seien alle Mediziner und müssten deswegen als Mitglieder der Gruppe der höchsten Priorität sofort geimpft werden. "Die hatten sich für die Aktion sogar extra weiße Klamotten besorgt", so Dr. Jürgen Zastrow gegenüber dem WDR.
Eine Investition, die sich nicht gelohnt hat, denn der Schwindel flog auf. Die ganze Familie verließ ohne Impfung wieder das Messegelände in Köln - allerdings auch ohne eine Anzeige. Denn das Vordrängeln beim Impfen wird in NRW, genau wie im Rest Deutschlands, nicht einmal als Ordnungswidrigkeit geahndet - zumindest, wenn man es durch solche Aktionen wie die Familie in Köln versucht.
Wer dafür ein Dokument fälscht oder in einem echten Dokument Daten ändert, dem drohen laut Paragraf 267 des Strafgesetzbuchs eine Geldstrafe oder sogar bis zu fünf Jahre Haft. Dafür muss unter dem Dokument nicht einmal eine Unterschrift oder ein Stempel sein. Auch schon der Versuch ist strafbar. Doch das scheint manche Menschen nicht davon abzuhalten, genau das zu versuchen.
Hohes Alter, erfundene Berufe, gefälschte Dokumente
Bundesweit häufen sich die Berichte über Menschen, die falsche Altersangaben machen, um schnell eine Corona-Impfung zu bekommen, oder behaupten, sie hätten einen Beruf in der kritischen Infrastruktur. Manche fälschen dafür auch Dokumente. Darin werden sie dann als angebliche Kontaktpersonen von Schwangeren oder Pflegebedürftigen ausgewiesen.
Auch im Kölner Impfzentrum kennt man solche Fälle. 40 bis 50 Betrüger versuchen sich hier täglich nach Informationen der Ärzte vorzudrängeln. "Hier im Impfzentrum bekommen wir das in der Regel durch vernünftige Gespräche geregelt", sagt Zastrow. "Das heißt, entweder haben die Menschen einen Termin oder sie haben keinen."
Das NRW-Gesundheitsministerium hingegen spricht von "Ausnahmen" - konkrete Zahlen lägen bisher nicht vor. "Das Land setzt auf das eigenverantwortliche Handeln der Akteure vor Ort im Rahmen des Impfprozesses", heißt es weiter.
Aggressives Auftreten beim Hausarzt
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe weiß man zwar um die Problematik, schätzt sie aber gering ein. Aus den Impfzentren, für die die KV verantwortlich ist, seien bislang fast keine Meldungen über Menschen eingegangen, die sich eine Impfung erschummeln wollten, sagt Verbandssprecherin Vanessa Pudlo.
Doch laut dem Vorstand der der Deutschen Stiftung Patientenschutz gibt es das Problem der Impfdrängler nicht nur in Impfzentren. "Es gibt diese robusten Auftritte von Menschen, die sagen, sie wollen sofort geimpft werden, auch bei den Hausärzten", sagt Eugen Brysch im Gespräch mit dem WDR. Das ginge von freundlichen Fragen bis hin zu aggressiven Gebärden bis hin zu gefälschten Unterschriften.
Impfschummler ohne Aussicht auf Erfolg bei Hausärzten
Solche Berichte haben die Hausärzteverbände Nordrhein und Westfalen-Lippe allerdings noch nicht erreicht. "Und so etwas hätte in den Hausarztpraxen auch keine Aussicht auf Erfolg", sagt Anke Richter-Scheer, 1. Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. "Die Ärzt*innen kennen ihre Patient*innen und deren Vorgeschichte, Vorerkrankung und familiäre Situation in der Regel gut und können die Einschätzung, wer in welcher Reihenfolge mit welchem Impfstoff geimpft werden kann daher ohnehin ohne entsprechende schriftliche Nachweise vornehmen."
Jedoch käme es immer wieder vor, dass Patienten Druck auf die Hausärzte ausübten. "Da den Hausärzten in den vergangenen Wochen nur wenig Impfstoff zur Verfügung stand, gab es immer wieder Situationen, in denen die Patienten argumentierten, sie gehörten einer priorisierten Gruppe an und müssten jetzt sofort geimpft werden", sagt Monika Baaken, Pressesprecherin des Hausärzteverbandes Nordrhein. "Das war vor allem für die Praxisteams ziemlich nervenaufreibend." Sie geht aber davon aus, dass sich diese Situation durch die Freigabe von Astrazeneca und Johnson&Johnson in den nächsten Wochen entspannen werde.
Trotzdem fordert Eugen Brysch juristische Folgen für Impfdrängler, auch wenn sie keine Dokumente gefälscht haben. "Es braucht in der Verordnung eine Klarstellung, was erlaubt ist und was nicht", so Brysch zum WDR. "Und darüber hinaus, die Konsequenz, die folgt, wenn man sich nicht daran hält."
Teilweise würde das bereits passieren, bestätigt das NRW-Gesundheitsministerium auf WDR-Nachfrage: "Als Land schöpfen wir konsequent unsere Möglichkeiten aus, wenn es darum geht, Fehlverhalten von Akteuren im Rahmen des Impfprozesses zu überprüfen und ggf. auch zu sanktionieren." Wie solche Sanktionen konkret ausfallen und wie häufig das der Fall ist, dazu gab das Minitserium keine Auskunft.