Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche: Alle schauen auf die Stiko

Stand: 07.07.2021, 19:55 Uhr

Eltern, Ärzte und auch immer mehr Politiker fordern von der Stiko endlich Klarheit darüber, ob sich Kinder ab zwölf Jahren gegen Corona impfen lassen sollen.

Die Gesundheitsminister der Länder haben die Experten der Ständigen Impfkommission (Stiko) wiederholt um rasche Klärung gebeten, wann Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren geimpft werden sollen.

Es müsse jetzt gehandelt werden, damit im Herbst ein größtmöglicher Schutz bestehe, sagt Klaus Holetschek (CSU), Vorsitzender der Gesundheitsminister-Konferenz. Am Mittwochabend wollen die Minister zu einer Beratung zusammen kommen.

Spahn: "Kinder und Jugendliche selbst entscheiden lassen"

Stiko-Chef Thomas Mertens hatte zuvor kritisiert, dass Einmischung und Druck seitens der Politik kontraproduktiv sei. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) findet es nicht richtig, dass das Gremium zu einer Entscheidung gedrängt wird. Die Stiko müsse nach medizinischen Gesichtspunkten entscheiden, sagte er am Mittwoch. Würde sie sich unter Druck setzen lassen, wäre sie "nichts wert".

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) drängte indes im ARD Morgenmagazin zur Eile: "Wir sollten Kinder und Jugendliche selbst entscheiden lassen." Man habe ausreichend Impfstoff, auch um Jugendliche zu impfen. "Bis spätestens Ende August soll jeder das Angebot für eine erste Impfung bekommen", so Spahn.

Empfehlung gegen Zulassung

Und die fehlende Stiko-Empfehlung? "Es ist eine Empfehlung, aber am Ende gibt es auch einen zugelassenen und sicheren Impfstoff." Er sei persönlich dafür, dass sich möglichst viele impfen lassen. Es gehe nicht nur um den Schutz des Einzelnen: "Wir brauchen eine hohe Impfquote bei allen, für die der Impfstoff zugelassen ist", so Spahn.

Doch nicht nur die Politik drängt. Auch Tanja Brunner vom Bundesverband Kinder- und Jugendärzte forderte die Ständige Impfkommission auf, sich möglichst bald zu positionieren. Sie empfiehlt Eltern und Kinder bislang, sich von ihrem Arzt beraten zu lassen. Es gebe positive Erfahrungen aus anderen Ländern wie den USA, wo Jugendliche bereits seit dem Frühjahr geimpft werden, sagte sie in der Aktuellen Stunde im WDR am Mittwochabend.

Brunner gab allerdings auch zu bedenken, dass man seltene Nebenwirkungen, wie Herzmuskelentzündungen bei jungen Männern, im Auge behalten muss.

Einverständniserklärung nicht generell notwendig

Selbst entscheiden können die Jugendlichen jedoch nur bedingt. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ist eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten bei einer Schutzimpfung generell eigentlich nicht notwendig - sofern der Impfling eine sogenannte Einsichtsfähigkeit habe.

Arzt muss über Mündigkeit entscheiden

Der Bonner Kinder- und Jugendarzt Axel Gerschlauer weist aber auf die rechtlichen Einschränkungen hin, wenn eine Einverständniserklärung fehle. Eine Mündigkeit des Patienten, also die sogenannte Einsichtsfähigkeit sei etwa nicht an ein bestimmtes Alter geknüpft. "Ich als Kinderarzt muss dann die geistige Reife des Impflings bewerten, was nicht immer einfach ist", so Gerschlauer gegenüber dem WDR.

Und wenn der Arzt auch noch wisse, dass die Erziehungsberechtigten gegen eine Impfung seien und er trotzdem einen Minderjährigen impfe, stehe er schon mit einem halben Bein vor Gericht.

Zudem sei die Corona-Impfung keine normale Schutzimpfung wie zum Beispiel gegen Masern, sagt Gerschlauer. "Da gibt es klare Statistiken, wie gefährlich Masern und wie ungefährlich die Schutzimpfungen sind." Bei Corona gebe es jedoch fast wöchentlich andere wissenschaftliche Datenlagen.

Gute Impferfahrungen in den USA

Zahlen gibt es zumindest schon mal aus den USA, dort sind etwa acht Millionen Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren geimpft, mit bisher guten Erfahrungen. Darauf wies am Mittwoch auch Thomas Gerke, Leiter des Impfzentrums Siegen hin. Dort ist jetzt eine Studie zur Corona-Impfung bei Jugendlichen angelaufen.

"Großes Drama: Long-Covid bei Kindern"

Gerke ist von der Wichtigkeit der Impfung überzeugt, er sei wie Bundesgesundheitsminister Spahn "not amused" über die Zurückhaltung der Stiko. "Die Ausbreitung findet im Moment mehr bei den Jugendlichen statt als bei den Erwachsenen", so Gerke gegenüber dem WDR. In England und in Israel sehe man, wie sich vor allem die Delta-Variante unter Minderjährigen ausbreite.

Es gehe nicht nur darum, den Jugendlichen mit einer Impfung wieder mehr Freiheiten zurückzugeben: "Wenn man Kinder gesehen hat, die Long-Covid haben, das zwanghafte Erbrechen, die Anteils- und Interessenlosigkeit bei Kindern, dann ist das ein großes Drama."

Schülerkonferenz fordert Impfangebot in den Sommerferien

Die Bundesschülerkonferenz fordert ein Impfangebot für alle Jugendlichen in den Sommerferien, damit zum neuen Schuljahr ein Präsenzunterricht stattfinden kann. "Gerade wenn es um den Schulstart nach den Ferien geht, sind Impfungen ein Schlüsselfaktor für sicheren Unterricht", sagte Generalsekretär Dario Schramm am Mittwoch dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

"Für mich ist klar: Jeder Schüler ab zwölf Jahren muss in den Sommerferien ein Impfangebot bekommen", betonte er. Das erste Angebot für eine Impfung gegen das Coronavirus müsse schon am Anfang der Ferien erfolgen, damit im besten Fall am Ende der Ferien bereits die zweite Impfung möglich sei.

Junge Menschen kommen nicht an Impftermine

Viele junge Menschen wollten sich gegen die Delta-Variante des Virus schützen, kämen aber nicht an Impftermine, kritisierte der Schülervertreter. "Ich sehe die Kultusministerien in diesem Prozess genauso in der Verantwortung wie die Gesundheitsministerien", betonte er. "Sie müssen jetzt schleunigst zusammenkommen und entsprechende Schritte einleiten."

Durch die Zurückhaltung der Stiko sei die Impfbereitschaft zwar etwas gesenkt worden, sagte Schramm. Es gebe aber dennoch viele Jugendliche, die sich impfen lassen wollten und Schwierigkeiten hätten, an Termine zu kommen.

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