Gerichte kippen Beherbergungsverbote, Wirte klagen gegen Sperrstunden und in der ganzen Republik gibt es eine Gruppe von Menschen, die gegen die Corona-Regeln auf die Straße ziehen. Wie lange hält die Akzeptanz für die Schutzmaßnahmen noch? Und wie viel Wirrwarr in der Politik wird noch geduldet?
Ohne Akzeptanz zur Corona-Politik droht Kontrollverlust
Die Gefahr: Schwindet die Zustimmung zur Corona-Politik, könnten sich in Zukunft noch weitaus mehr Menschen über die bestehenden Regeln hinwegsetzen als ohnehin schon. Mögliche Folge: Die Infektionszahlen könnten in die Höhe schnellen, die Epidemie außer Kontrolle geraten. Wie lässt sich das verhindern?
Deutschlandtrend: Mehr Einheitlichkeit gewünscht
Dringend geboten ist offenbar mehr Einheitlichkeit bei den Corona-Regeln. Denn das wünschen sich mehr als zwei Drittel der Menschen in der Republik, wie auch dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend hervorgeht.
Dahinter stecke das Problem der Überforderung, sagte Alfred Gebert, Psychologie-Professor der Hochschule Münster im Ruhestand, am Montag dem WDR. Kein Mensch könne sich so viele Regeln merken, wie es in den Bundesländern gebe.
Psychologe Gebert: "Einigt euch"
Damit die Stimmung nicht kippt, rät er den Länderchefs: "Einigt euch, damit wir die Menschen nicht so verwirren." Als Positiv-Beispiel nannte er die AHA-Regel - die sei genial, weil klar und verständlich. Von solchen einfachen und überall geltenden Formeln brauche es mehr.
Sorge um eine schwindende Akzeptanz in der Bevölkerung macht sich Heinz Grüne vom Kölner Rheingold-Instituts für psychologische Markt-, Medien- und Kulturforschung derzeit derzeit nicht. Die Menschen hätten Verständnis, dass in der Corona-Ausnahmesituation nicht immer die perfekte Entscheidung getroffen werden könne.
Experte: Beherbergungsverbot zeige Grenze der Akzeptanz
Er gibt jedoch zu bedenken, dass sich die Bevölkerung nicht alles gefallen lasse. Das habe das Beherbergungsverbot gezeigt. "Da ist schon die Grenze spürbar gewesen", so Grüne zum WDR. Dass das Verbot nun nach und nach zurückgezogen oder von Gerichten gekippt werde, zeige, dass unser politisches System intakt sei.
So sieht es auch Politikwissenschaftlerin Julia Schwanholz von der Universität Duisburg-Essen. "Die Gerichtsentscheidungen zeigen vor allem: Die Gewaltenteilung funktioniert", sagte sie dem WDR.
Politikwissenschaftlerin: Parlamente stärker einbeziehen
Zum Problem könnte nach ihrer Ansicht jedoch werden, dass der inoffizielle Ausnahmezustand womöglich noch viele Monate anhält. Gerade deshalb müssten die Parlamente in Bund und Ländern mehr miteinbezogen werden. "Das halte ich für elementar."
Zwar sehe das Infektionsschutzgesetz vor, dass die Regierungen Verordnungen erlassen statt dass die Parlamente über immer neue Gesetze abstimmen - "und das ist rechtlich absolut sauber und in Ordnung". Aber diese Politik der "Kämmerchen" schaffe eben nicht genug Öffentlichkeit. Die Parlamente müssten weitaus häufiger zusammenkommen, damit dort das ganze Spektrum der gewählten Parteien öffentlich diskutiere. Das sei nötig, damit die Menschen erleben: Ihre Stimme komme zur Geltung. Nach der "Stunde der Exekutive", so Schwanholz, sei es jetzt Zeit für die "Stunde der Parlamente".