Wer darf überhaupt ein Corona-Testzentrum betreiben?
Im Prinzip jeder, auch Menschen, die keinerlei medizinischen Hintergrund vorweisen können. Vielerorts reicht der Nachweis eines (Online-)Kurses zur Abstrich-Entnahme, um einen Antrag auf Eröffnung eines Testzentrums stellen zu können.
Wer kontrolliert die Bürgertest-Zentren?
Augenscheinlich fühlt sich niemand wirklich zuständig. "Die fachliche Kontrolle, wer solche 'Bürgertests' durchführen kann und ob diese Tests auch korrekt durchgeführt werden, obliegt den Gesundheitsämtern", sagt die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hält dagegen: "Der Bund ist als Auftraggeber gefordert, bei den kostenlosen Bürgertests für eine angemessene Kontrolle zu sorgen. Die Gesundheitsämter der Kommunen können das nicht auch noch tun, die sind schon völlig überlastet."
Wie werden die Corona-Testzentren kontrolliert?
Nach Recherchen des Investigativressorts von NDR und WDR gibt es quasi keine Kontrolle darüber, wie viele Bürgertests die Zentren durchführen und abrechnen und ob dabei alles korrekt läuft.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung teilte dem WDR dazu mit: "Die Kassenärztlichen Vereinigungen nehmen einzig gemäß der entsprechenden Verordnung des Bundes die monatlichen Meldungen der entstandenen Kosten der registrierten Testanbieter entgegen. Überprüfen können sie ausschließlich formale Aspekte."
Das Bundesgesundheitsministerium prüft nun "stärkere Kontrollmöglichkeiten" und verweist zudem auf "Plausibilitätsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, die bis 2024 erfolgen können". Nach Angaben des Bundesjustizministeriums kann gewerbsmäßiger Betrug mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.
Warum haben es potenzielle Betrüger offenbar so leicht?
Das liegt daran, dass die Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums für die Abrechnung weder die Namen der Getesteten noch irgendwelche Einkaufsbelege über Tests vorsieht. Hier spielen auch datenschutzrechtliche Gründe eine Rolle. In Paragraf 7, Absatz 4 der Verordnung steht ausdrücklich: "Die zu übermittelnden Angaben dürfen keinen Bezug zu der getesteten Person aufweisen."
Welche Auswirkungen könnten die Vorgänge auf die Pandemie haben?
Laut "Tagesschau" befürchten Gesundheitsämter, dass falsche Testmeldungen die Datenlage über den Pandemieverlauf verfälschen könnten. Drei Test-Standorte, an denen WDR, NDR und SZ recherchiert haben, meldeten innerhalb einer Woche 25.000 Tests - darunter gab es keinen einzigen positiven Fall.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht als das größte Problem bei "kriminell organisierten" Corona-Teststellen die mangelnde Qualität. Vorstand Eugen Brysch sagte: "Wo solche Strukturen herrschen, ist in der Regel auch die Qualität der Tests schlecht."
Wer trägt die politischen Konsequenzen?
In der Kritik steht derzeit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte: "Das Managementversagen im Gesundheitsministerium hat inakzeptable Ausmaße angenommen." Spahn habe Warnungen und Hinweise von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen für die Testbedingungen ignoriert.
Die Grünen verlangen eine Nachbesserung der Testverordnung. Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer fordert sogar die Einsetzung eines Sonderermittlers, um den mutmaßlichen Abrechnungsbetrug aufzuklären.
In der Kritik steht auch die NRW-Landesregierung. Die oppositionelle SPD macht unter anderem fehlende Rahmenbedingungen des Landes für die mutmaßlichen illegalen Vorgänge bei einigen Bürgertest-Zentren verantwortlich.
Wie viele Corona-Testzentren gibt es in Nordrhein-Westfalen?
Die Anzahl hat in den vergangenen zwei Monaten stark zugenommen. Laut NRW-Gesundheitsministerium waren es Mitte März 1.862, Mitte April 5.776 und Mitte Mai 8.735. Deutschlandweite Zahlen gibt es nicht. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet mit "einer Größenordnung von 20.000 bis 30.000 Testzentren".