Schon vor Wochen war es auch auf anderen Schlachthöfen in NRW zu heftigen Ausbrüchen des Virus gekommen - trotz allgemein rückläufiger Infektionszahlen. Dort war das Elend - nicht zum ersten Mal - offenbar geworden: Auf engstem Wohnraum untergebracht, fristen die meist aus Osteuropa kommenden Werkvertragsarbeiter ein unwürdiges Leben zwischen überbelegten Zimmern, schlechten sanitären Anlagen und Akkordarbeit im Schlachthof und erhalten nur Dumpinglöhne.
Nun ist auch die Diskussion über den Preis des Fleisches wieder entbrannt: Wieviel sind Verbraucher in Deutschland bereit zu zahlen für ein qualitätsvolles Stück Fleisch? Bisher ging es dabei vor allem um die Tierhaltung: Mehr Tierwohl gleich teureres Fleisch. Von Arbeitsbedingungen war kaum die Rede. Würden höhere Fleischpreise auch zu besseren Arbeitsbedingungen auf den Schlachthöfen führen?
Bundesarbeitsminister will Werkverträge auf Schlachthöfen verbieten
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) kritisierte am Freitag (19.06.2020) im WDR Radio die Preispolitik der Discounter. Hier würde Fleisch häufig noch unter dem Preis verkauft, zu dem es produziert wurde. Die bisherigen Gesetze gegen diesen "unlauteren Wettbewerb" seien nicht klar genug definiert. NRW arbeite dazu an einer Bundesratsinitiative.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte dagegen angekündigt, dass Werkverträge in der Fleischbranche ab Januar 2021 nicht mehr zulässig sein sollen. Wenn aber Schlachthofarbeiter als Festangestellte und besser bezahlt arbeiten - würde sich das auch auf den Preis der Bratwurst oder des Schnitzels auswirken?
Fleisch würde kaum teurer
Kaum, sagt Achim Spiller, Professor für Agrarökonomie an der Uni Göttingen. In den Großschlachtereien mache der Anteil der Lohnkosten am Endpreis eines Schnitzels gerade mal fünf Prozent aus - nur ein Zehntel dessen, was die Schlachterei für den Ankauf der Tiere bezahle. Würden Schlachthofarbeiter künftig festangestellt und für 20 Prozent mehr Lohn arbeiten, bedeute das eine Kostensteigerung beim Schnitzel um ein Prozent, so Spiller. Oder anders gerechnet: Ein Kilo Fleisch würde im Durchschnitt nur fünf bis zehn Cent mehr kosten.
Den Wettbewerb einzuschränken, hält der Agrarökonom dagegen für kaum machbar. Vielmehr müsse es europaweit gleiche Regeln und Mindeststandards bei den Entstehungskosten für Fleisch geben. Dabei sei vor allem Deutschland als langjähriger "Dumpingmeister" der EU gefragt: Länder wie Dänemark oder Frankreich hätten längst schon deutlich bessere Arbeitsbedingungen für Schlachthofmitarbeiter festgeschrieben - mit fairen Sozialsystemen, Festanstellungen und relativ hohem Lohnniveau. Beide Länder forderten das seit Langem auch von Deutschland. Jetzt, so Spiller, stünden die Chancen gut dafür.