Die Rolle der Firma Tönnies beim Corona-Ausbruch im Werk wird nun auch von Mitarbeitern kritisiert. Ein langjähriger Mitarbeiter, der im Auftrag eines Subunternehmers für Tönnies Schweine zerlegt, schilderte im WDR-Magazin Westpol am Sonntag (21.06.2020) Verstöße gegen Corona-Bestimmungen im Mai.
Noch vor drei Wochen habe man in der Fabrik – bis auf Maskenpflicht und aufgestellte Desinfektionsmittelspender – gearbeitet wie in "normalen Zeiten" – auch deshalb, weil es nach wie vor viele Aufträge gegeben hätte.
"Wir haben eng an eng an den Fließbändern gearbeitet, ungefähr mit 50 Zentimetern Abstand. In der Kantine waren immer ungefähr 300 Leute, auf den Treppen war immer Gedränge", erzählt der Mitarbeiter, der anonym bleiben will. Teilweise seien die Masken auch abgesetzt worden, ohne dass es geahndet worden sei.
Arbeitsschutz findet Mängel im Mai
Zwar hat Tönnies offiziell ein Hygiene-Konzept, unterteilt zum Beispiel Mitarbeiter in Gruppen, hat Pausenzelte eingerichtet. Auf die Vorwürfe des Arbeiters reagierte die Firma trotz WDR-Anfrage bis Sonntagabend (21.06.2020) aber nicht. Doch auch der Arbeitssschutz fand Mängel: Zwischen dem 11. und 18. Mai wurden Kontrollen durchgeführt. Das Ergebnis: zu geringe Abstände. Erst bei einer späteren Überprüfung Ende Mai sei alles in Ordnung gewesen, teilte die Bezirksregierung Detmold mit.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit einigen Tagen gegen Tönnies unter anderem wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz. Auch ein Video aus der Tönnies-Kantine, das nach Angaben der Firma Ende März 2020 enstanden sein soll, weckte Zweifel am Vorgehen des Fleischkonzerns in der Pandemie. Tönnies verweist immer wieder darauf, alle Regeln einzuhalten. Firmenchef Clemens Tönnies sprach am Samstag davon, man habe alles im Mai "hervorragend gemanaged."
Sonderrolle für Tönnies wegen Versorgungsauftrag
Die besondere Rolle der Fleischfirma zeigt sich bei den Zugeständnissen der Behörden: In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion an die Stadt Rheda-Wiedenbrück, die Westpol vorliegt, werden spezielle Regeln für Tönnies beschrieben. Der Kreis Gütersloh und das Land NRW "haben in Abstimmung festgestellt, dass Tönnies einen Versorgungsauftrag als Unternehmen mit kritischer Infrastruktur hat". Dies führe dazu, dass "nicht an allen Stellen der Mindestabstand gewährleistet werden kann."
Auf Nachfrage bestreitet der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), über dieses Vorgehen informiert gewesen zu sein. „Das höre ich zum ersten Mal“, so Adenauer gegenüber Westpol. Es würden überall die gleichen Hygieneregeln gelten, auch bei Systemrelevanz müssten die Sicherheitsregeln eingehalten werden. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann verteidigte die Einstufung der Firma als systemrelevant.