Eigentlich sollte der Start der Corona-Impfungen das Ende der Pandemie einläuten. Doch nach dem holprigen Beginn mit Lieferengpässen und verschobenen Terminen gibt es nun sogar Streit mit einem der großen Hersteller.
Verwirrung im Krisentreffen mit Astrazeneca
Weil Astrazeneca angekündigt hat, nach der für diesen Freitag erwarteten EU-Zulassung weniger Impfstoff zu liefern, liegen beide Seiten im Clinch. Die neuste Wendung: Am Mittwochmittag meldeten Nachrichtenagenturen mit Verweis auf Quellen in der EU, dass Astrazeneca ein für heute Abend geplantes Gespräch abgesagt habe. Doch nur kurz danach kam die Rolle rückwärts. Nach EU-Angaben zog der Impfstoffhersteller die Absage zurück.
Zu besprechen gibt es genug. Denn statt der erwarteten 80 Millionen Impfdosen im ersten Quartal sollen nach EU-Angaben nur 31 Millionen ankommen. Den Grund - Probleme in der Lieferkette - will die EU nicht gelten lassen. Mittlerweile steht sogar der Verdacht im Raum, dass Astrazeneca mit EU-Geldern seine Produktionskapazitäten hochgefahren hat, der Impfstoff aber in andere Länder gebracht wird.
Astrazeneca-Chef kontert Kritik
Das Unternehmen wehrt sich inzwischen. Firmenchef Pascal Soriot sagte in mehreren Zeitungsinterviews, es stimme nicht, wenn die EU-Kommission behaupte, man liefere weniger Impfdosen als vertraglich vereinbart. Solche festen Zusagen für bestimmte Mengen habe es nie gegeben. Vielmehr habe man nur einen "best effort" zugesagt, sich also im besten Sinne zu bemühen.
Stattdessen sieht Soriot den langsamen Vertragsabschluss mit der EU als Grund für die Lieferengpässe. Zur Zeitung "Welt" sagte er: "Wir sind in Europa jetzt zwei Monate hinter unserem ursprünglichen Plan." Man habe auch Anfangsprobleme in Großbritannien gehabt. "Aber der Vertrag mit den Briten wurde drei Monate vor dem mit Brüssel geschlossen. Wir hatten dort drei Monate mehr Zeit, um Pannen zu beheben."
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides trat am Mittwoch vor die Presse und widersprach dem Konzernchef. Es gebe sehr wohl einen Vertrag mit festen Lieferplänen je Quartal, und "best effort" heiße nicht, dass keine Verpflichtung bestehe. Zudem spiele es keine Rolle, dass die EU ihren Vertrag später abgeschlossen habe. "Wir weisen die Logik des 'Wer zuerst kommt, mahlt zuerst' zurück. Das gilt vielleicht beim Metzger um die Ecke, aber nicht bei Verträgen."
Vertrag zwischen EU und Astrazeneca ist geheim
Das Problem ist: Wer Recht hat, weiß momentan niemand - außer den Verantwortlichen in Brüssel und bei Astrazeneca. Denn der Vertrag ist bislang geheim. Die Forderungen nach einer Offenlegung werden deshalb lauter.
Astrazeneca hat nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters inzwischen immerhin angekündigt, eine Woche früher als den bislang angepeilten 15. Februar mit der Lieferung zu beginnen.
Entscheidung über EU-Zulassung am Freitag
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA entscheidet wohl am Freitag über die bedingte Zulassung des Astrazeneca-Impfstoffs. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob das Mittel auch für über 65-Jährige zugelassen wird. Also der Risikogruppe, die am stärksten von einem weiteren Impfstoff profitieren würde.
Wie gut wirkt der Astrazeneca-Impfstoff?
Nach Informationen des ARD-Studios Brüssel hat Astrazeneca nach der Notfallzulassung in Großbritannien zusätzliche Daten bei der Europäischen Arzneimittelbehörde eingereicht. Und zwar von 2.000 Probanden über 65 Jahre, zwei Drittel davon über 70. Die Studie soll zeigen, dass der Impfstoff bei Senioren genauso stark wirkt wie bei den Jüngeren.
Generell werden die Daten aus den Astrazeneca-Studien von Wissenschaftlern nicht so positiv bewertet. So hält der Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Universität Tübingen, Peter Kremser, "die Datenlage für die Zulassung des Impfstoffs bei über 65-Jährigen nicht für aussagekräftig." Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, unter welchen Auflagen die Europäische Arzneimittelbehörde den Astrazeneca-Impfstoff in dieser Woche zulässt.
Zunächst keine Auswirkungen in NRW
Für Nordrhein-Westfalen machen die Diskussionen erst einmal keinen Unterschied. Hier wird der Impfstoff derzeit noch nicht mit eingeplant. Das NRW-Gesundheitsministerium teilte auf WDR-Anfrage mit, man plane nur mit der Impfstoffmenge, die der Bund tatsächlich zuweise. Erst wenn der Astrazeneca-Impfstoff zugelassen und vom Bund verteilt werde, werde NRW ihn mit einkalkulieren.