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Debatte zwischen Scholz und Merz: Wie wichtig sind TV-Duelle?
Stand: 10.02.2025, 13:41 Uhr
Dschungelcamp schlägt TV-Duell: Mehr als 40 Prozent des Fernsehpublikums entschieden sich am Sonntag für die Polit-Debatte zwischen Scholz und Merz. Welchen Einfluss haben solche Sendungen auf die Wahl?
Von Nina Magoley
In aufgeheizter Stimmung geht der Bundestagswahlkampf gerade in die letzte Phase. Die zur Wahl antretenden Parteien ringen am rechten und linken Rand um Wähler - und für alle, die bei dem ganzen Getöse unsicher sind, wo sie am 23. Februar ihr Kreuzchen setzen sollen, steht jetzt noch eine wahre Serie von Diskussionsrunden im Fernsehen an.

Gaben sich moderat: Scholz und Merz im TV-Duell
Den Auftakt machte am Sonntag das "TV-Duell" zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem Herausforderer Friedrich Merz (CDU). Moderiert von Sandra Maischberger und Maybrit Illner, war der 90-minütige Schlagabtausch zeitgleich in ARD und ZDF zu sehen, außerdem bei Phoenix und tagesschau24.
Hohe Einschaltquote trotz Dschungelcamp
Und trotz Konkurrenz durch das Finale im RTL-"Dschungelcamp" entschieden sich rund zwölf Millionen Menschen für die Polit-Debatte: 27,8 Prozent Marktanteil vermeldete die ARD, 13,4 Prozent das ZDF.
Diskussionsrunden mit Top-Politikern vor Bundestagswahlen haben im deutschen Fernsehen seit 2002 Tradition. Vor der damaligen Bundestagswahl debattierten erstmals Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) in einem solchen Format.
In den USA mehr Bedeutung

Folgenschweres TV-Duell: Biden und Trump am 27.06.2024
Dennoch galten sie bislang nicht als so entscheidend wie beispielsweise in den USA. Dort führte vor der Wahl im vergangenen Jahr die "presidential debate" zwischen dem damals amtierenden US-Präsidenten Joe Biden und Donald Trump sogar dazu, dass die Demokraten ihren Kandidaten noch austauschten: Biden hatte nur noch kraftlos, unkonzentriert und geradezu senil gewirkt und damit selbst in den eigenen Reihen für Entsetzen gesorgt. Kurz darauf übernahm seine bis dato Vizepräsidentin Kamala Harris die Kandidatur.
In den USA gab es bislang sogar eine unabhängige Kommission, die den Rahmen für solche Debatten festlegte: Seit 1987 hat diese gemeinnützige "Commission on Presidential Debates" (CPD) die Wahlkampfdebatten vor US-Wahlen organisiert und beispielsweise bestimmt, in welchen Medien oder auf welchen Plattformen sie gezeigt würden und wer die Fragen stellt.
Allerdings hatten Republikaner und Demokraten vor der US-Wahl 2024 beschlossen, die CPD zu umgehen und sich selbstständig auf zwei Debatten-Termine in den Sendern CNN und ABC geeinigt.
USA: "Debatten eher als politische Bildungsveranstaltung"
In den USA hätten solche Debatten bislang eher "den Ansatz einer politischen Bildungsveranstaltung", sagte der Politologe Christoph Bieber im Deutschlandfunk. Viele Male fanden die Runden dort an Universitäten statt. So diskutierten Hillary Clinton und Donald Trump 2016 an der Hofstra University auf Long Island bei New York. In Deutschland dagegen sei das Format vor allen Dingen als medialer Wettkampf angelegt, so Bieber.
Einfluss auf die Wahl schwer messbar
Es sei sehr schwer, den Einfluss von TV-Duellen wissenschaftlich gesichert nachzuweisen, sagte Bieber. "Weil es ganz viele Faktoren gibt, die auf die Wahlentscheidung von Bürgern einwirken". Wenn eine Debatte mehrere Wochen vor der Wahl stattfinde, sei der Effekt auf den Wahlausgang höchstwahrscheinlich zu vernachlässigen. "Die Stammwähler kennen ihren Sieger ohnehin schon vor dem TV-Duell." Für die mediale Berichterstattung und die Wahrnehmung der Kandidaten in der Öffentlichkeit spielten die Debatten dagegen eine große Rolle.
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Kommunikationsforscher Frank Brettschneider
Der Schlagabtausch zwischen den Kanzlerkandidaten Scholz und Merz am Sonntag wurde anschließend allgemein als sachlich und emotional gemäßigt analysiert. Keiner der Kandidaten hätte "wirklich gepatzt", sagte der Kommunikationsforscher Frank Brettschneider am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Ein Sieger sei nicht auszumachen gewesen, dafür hätten Zuschauer, "die wissen wollen, wer der bessere Kandidat sei, um die Problem der nächsten vier Jahre in Angriff zu nehmen", aber viele Argumente geliefert bekommen.
Studierenden fehlten wichtige Themen
Das war aber wohl sehr abhängig von der Zielgruppe: Er sei nicht viel klüger geworden durch die Debatte, sagte Nico, Student in Münster. Gemeinsam mit seinen WG-Mitbewohnerinnen hatte er die Debatte verfolgt. "Ich bin noch nicht entschieden", sagte er dem WDR anschließend. Die angesprochenen Themen hätten nicht seiner Lebensrealität entsprochen. Für ihn wäre beispielsweise die Frage nach steuerfreien Lebensmitteln oder bezahlbarem Wohnen für Studenten interessant gewesen. "Davon haben wir leider nichts gehört."
Auch Mitbewohnerin Johanna sagte, sie habe in der Debatte "ihren" Kanzler nicht entdecken können. Ihr fehlten beispielsweisen Fragen zur Sozialpolitik und zur Abtreibungsdebatte. Die WG kam lediglich zu dem Schluss, dass sie "den einen noch weniger als den anderen wählen" würden.
Körpersprache: "Lippenlecken, unruhiger Stand"
Neben den Argumenten spiele aber bei solchen Debatten auch die Körpersprache eine wichtige Rolle, sagt der Wirtschaftspsychologe Dirk Eilert. So habe Bundeskanzler Scholz am Sonntag "viel dynamischer als üblich" gewirkt, analysierte Eilert am Montagmorgen im WDR Radio. Dennoch habe er bei Scholz "extrem viele Stressmomente" beobachtet: "Unruhiger Stand, Lippenlecken, eine hohe Blinzelrate." Scholz habe dadurch "eher im Rechtfertigungsmodus" gewirkt, so der Psychologe.
Merz dagegen sei über weite Strecken eine "staatsmännische" Körpersprache gelungen, schon durch seine "gerade Haltung am Rednerpult" - auch in dem für ihn brisanten Moment, als Scholz ihm vorwarf, die Zustimmung der AfD in Kauf genommen zu haben. Zudem habe der sonst oft spontan argumentierende CDU-Politiker es geschafft, "seine Impulse unter Kontrolle zu kriegen". Selbst in Momenten, bei denen Merz "deutliche Hinweise auf Ärger" zeigte - beispielsweise, als Scholz salopp mit "nö" antwortete, oder als er Merz "Sprechblasen" vorwarf.
Weitere sechs TV-Debatten sind noch geplant:
Quellen:
- AGF Videoforschung GmbH
- Commission on Presidential Debates (CPD)
- Interview Politologe Christoph Bieber im Deutschlandfunk
- Interview Kommunikationsforscher Frank Brettschneider im Deutschlandfunk
- WDR-Interview Studierenden-WG in Münster
- WDR-Interview Wirtschaftspsychologe Dirk Eilert