Die Studie hatte der evangelischen Kirche ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Das Thema sexuelle Gewalt sei verdrängt, nicht gesehen oder relativiert worden. Die Kirche habe eher ihre eigenen Mitarbeiter als die Opfer geschützt. Und heute? Professor Thomas Großbölting hat die ForuM-Studie geleitet.
Jetzt ist er von Hamburg nach Münster gekommen, um nach einem Jahr sein Fazit zu ziehen: "Ich sehe an vielen Stellen in Gemeinden und einzelnen Kirchenkreisen Bemühung darum, das Thema offensiv anzugehen, ich bemerke aber auch viele Blockaden, und die würde ich vor allem oben in der Kirchenleitung verorten."
Tatsächlich wurden neue Stellen geschaffen, mehr Ansprechpersonen für Betroffene benannt, Arbeitskreise gegründet und ein 12-Punkte-Maßnahmenkatalog erarbeitet. Das Signal der Kirche ist: "Wir haben verstanden".
Die Landeskirche in Bielefeld hat in diesem Monat eine Kriminologin, Dr. Charlotte Nieße, für den Posten "Umgang mit sexueller Gewalt" eingestellt. Für sie ist es der Beweis, für die "Ernsthaftigkeit, mit der die Präventions- und Interventionsarbeit sowie der andauernde Aufarbeitungsprozess" betrieben werde.
Das reicht noch nicht
Und trotzdem ist es noch nicht genug. Das zeigt auch der Montagabend in Münster. Viele Kirchenmitarbeitende sind gekommen, Presbyterinnen, Pfarrer, Fachleute für Prävention. Es stehen viele Fragen im Raum, der Wunsch, wirklich etwas zu ändern, oft aber auch Ratlosigkeit.
"In der Aufarbeitung stecken wir noch in den Kinderschuhen." Holger Erdmann, Superintendent im Kirchenkreis Münster
Und schon dieses Bekenntnis des Superintendenten ist ein wichtiger Schritt. Denn die evangelische Kirche hatte bislang laut Missbrauchsstudie vor allem das Ziel, den Ruf ihrer Institution und der Mitarbeiter zu schützen. Und diese Angst um die Institution sei immer noch da, so der Superintendent.
Ergebnisse der Missbrauchsstudie in der evangelischen Kirche Westfalen. WDR Studios NRW. 28.01.2025. 00:45 Min.. Verfügbar bis 28.01.2027. WDR Online.
Eine wirkliche Aufarbeitung lässt auf sich warten
Viel Luft nach oben gebe es auch beim Thema Entschädigung, in Worten der Kirche: "Anerkennung Leid“. Es werde nicht transparent begründet, Widerspruch sei nicht möglich und die Kirche solle auch das Thema Verjährung noch einmal überdenken, sagt Studienleiter Großbölting.
Fazit des Abends: Der gute Wille zur Aufarbeitung ist da. Der wirklich große Ruck lässt aber noch auf sich warten.
Unsere Quellen:
- Infoabend des Kirchenkreises Münster
- Professor Thomas Großbölting, Leiter der ForuM-Studie
- Reporterin vor Ort